Benjamin Sawicki vom NCCR Automation an der ETH Zürich legt seinen Fokus auf die Digitalisierung und Automatisierung im Energiesektor. Um Projektpartner für eine Forschungszusammenarbeit zu finden, wandte er sich 2021 mit einem Brief an 418 der insgesamt 623 Verteilnetzbetreiber der Schweiz. Das Wasser- und Elektrizitätswerk Walenstadt (WEW) meldete sich auf diesen Aufruf und rund ein Jahr später wurde der Kick-off von zwei Studienarbeiten mit insgesamt sieben Personen gefeiert. Die ersten Projektarbeiten beschäftigten sich mit dem Thema des Notstrombetriebs und der Frage, wie durch die grossen Speicherbatterien im Notfall der Wiederaufbau des Stromnetztes bewerkstelligt werden könnte.
Nach Abschluss dieser ersten beiden Studierendenarbeiten wuchs die Projektgruppe und der neu eingestellte Projektleiter Dr. Pulkit Nahata konnte an einem Workshop Mitte Dezember 2023 in der Halle am See in Walenstadt mehr als 20 Personen begrüssen. Bis dahin wurden neun weitere Studienarbeiten an der OST – Ostschweizer Fachhochschule und der ETH Zürich durchgeführt. Der Schwerpunkt dieser Forschungsarbeiten wandelte sich vom Notstrombetrieb zuerst hin zur Entwicklung neuer Wechselrichtertechnologien und später weiter zu einer zuverlässigen und robusten Lösung für das Energienetz von morgen.
Aufbau einer Test Community
Um der Frage einer zuverlässigen und robusten Lösung für das Energienetz der Zukunft auf den Grund zu gehen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Forschungsgruppen und der Bevölkerung von Walenstadt eine wichtige Voraussetzung. Der Energietag der Gemeinde Walenstadt im Mai 2024 war eine gute Gelegenheit, um der Bevölkerung das Projekt Grid2050 vorzustellen und den Aufbau einer Test Community zu lancieren.
Parallel dazu wurden im Hintergrund viele Arbeiten und Abklärungen gemacht. Verschiedene Studienarbeiten wurden durchgeführt, in denen beispielsweise eine optimale Smart Grid-Kommunikationsinfrastruktur oder flexible Export-Limiten in einem Labor-Stromnetz untersucht wurden. Ausserdem war die dynamische Zustandsschätzung des WEW-Stromnetzes Gegenstand der Forschung. Zeitgleich wurde an der OST mit der Evaluierung und Planung des Aufbaus einer Kommunikationsinfrastruktur begonnen, durch welche die Test Community in Zukunft mehr involviert werden kann.
Kommunikation über ein passendes Energie Management System
Als Basis für diese Kommunikationsinfrastruktur wurde ein Energie Management System (EMS) mit eingebautem Kommunikationsmodul evaluiert, mit dem die Haushalte ihre eigene Energiebilanz optimieren, dadurch ihre Stromrechnung reduzieren und gleichzeitig das Stromnetz bestmöglich entlasten können.
Vor wenigen Tagen hat sich das Forscherteam für das EMS der Schweizer Firma Solar Manager AG entschieden. Im Herbst wurde das Solar Manager Gateway bei zwei Haushalten mit unterschiedlichen Produktions- und Verbrauchsgeräten ausgiebig auf Funktionalität, Nutzbarkeit und Kompatibilität getestet. In engem Austausch mit dem Hersteller wurde zudem nach zusätzlicher Funktionalität angefragt.
Zeitgleich wurden diejenigen Mitglieder der Test Community mit Stromerzeugungs- und / oder Lastmanagementsystemen angeschrieben und gebeten, die Informationen zu den installierten Geräten zur Verfügung zu stellen. Basierend auf diesen detaillierten Informationen war es möglich zu analysieren, welche Geräte mit dem ausgewählten EMS kompatibel sind, welche mit Zusatzaufwand kompatibel gemacht werden könnten oder welche nach heutigem Stand gar nicht kompatibel sind.
Bis heute wurden insgesamt 9 Semester-, 2 Bachelor- und 7 Masterarbeiten zu verschiedenen Themen im Bereich Grid2050 durchgeführt. Aktuell laufen an der ETH Zürich eine Masterarbeit und zwei Semesterarbeiten, an der OST läuft eine Semesterarbeit.
Daten in einer App dargestellt
Aktuell ist geplant, dass die Solar Manager Gateways im ersten Quartal 2025 installiert werden. Aus ressourcentechnischen Gründen wird mit jenen Haushalten begonnen, die möglichst viele kompatible Geräte haben bzw. den grössten Forschungsbeitrag leisten können. Die aktuelle Planung sieht eine weitgehende Kostenübernahme durch das Forschungsprojekt vor. Weitere Details dazu werden zu gegebener Zeit kommuniziert.
Sobald die EMS-Gateways eingebaut sind, werden sie sofort mit der Optimierung des Eigenverbrauchs des Haushalts beginnen, wodurch die eingekaufte Energiemenge reduziert und dadurch die Stromrechnung minimiert werden sollte. Die Produktions- und optimierten Lastgangdaten werden vom EMS für den Hausbesitzer in einer App visuell dargestellt. Die gleichen Daten werden für Forschungszwecke in einer eigens erstellten Datenbank zwischengespeichert.