Mathematisches Seminar
Kontakt
Prof. Oliver Augenstein
KMN Kompetenzzentrum für Mathematik und Naturwissenschaften Professor, Leiter KMN
+41 58 257 43 68 oliver.augenstein@ost.ch
In den Mathematik Vorlesungen lernt man eine grosse Zahl von neuen Techniken, und in den zugehörigen Übungsstunden übt man, wie man mit diesen Techniken passende Übungsaufgaben löst. Etwas überspitzt formuliert erfolgt in diesen Lehrveranstaltungen eine mathematisch Dressur, und die Teilnehmenden müssen dann in der Prüfung auf Kommando das gelernte Kunststückchen vorführen. Im Erfolgsfalle werden sie mit einem Häppchen in Form einiger ETCS-Punkte belohnt. Natürlich handelt es sich dabei um Kunststückchen, die auch in anderen Fächern nutzbringend vorgeführt werden.
Nur leider ist diese Art von Mathematik weit davon entfernt, wie Mathematik in der Praxis tatsächlich angewendet wird. Natürlich braucht man immer noch einen Fundus von Techniken, die man irgendwann mal gelernt haben muss. Damit man diese auf ein gegebenes Problem anwenden kann, muss man aber erst ein mathematisches Modell dafür entwickeln. Dabei reicht es nicht, bildlich gesprochen alle zum Problem passenden Formeln aus der Physik in einen Topf zu geben und etwas umzurühren. Zum Beispiel genügt es nicht, die Gleichungen der Fluiddynamik und der Thermodynamik für die Atmosphäre anzusetzen und dann vom Computer eine zuverlässige Wetterprognose für ein paar Tage oder sogar eine Klimaprognose für die nächsten 100 Jahren zu erwarten. Vielmehr müssen aus den Grundgleichungen erst geeignete Variablen und Modellgleichungen entwickelt werden, mit denen eine Prognose möglich ist. Und genau dieser Prozess wird in den Mathematik-Vorlesungen meistens nicht studiert und noch weniger geübt.
Das Mathematische Seminar soll eine Gelegenheit bieten, in einem eigenen Projekt zu erfahren, wie man ein mathematisches Problem bearbeitet, passende Lösungsmethoden ausfindig macht oder neu entwickelt und diese analytisch oder mit dem Computer umsetzt.
Das Mathematische Seminar richtet sich an Studierende des 4. oder 6. Semesters, es kann zweimal besucht werden (MathSem1 und MathSem2). Es läuft wie folgt ab:
Im Laufe der Jahrhunderte hat die Mathematik immer neue Funktionen definiert, die sich als universelle Problemlösungsbausteine herausgestellt haben. Sie zeichnen sich durch ihre besonderen algebraischen oder analytischen Eigenschaften aus. Wurzeln lösen zum Beispiel algebraische Gleichungen, mit trigonometrischen Funktionen kann man Dreiecke in der Ebene oder auf einer Kugel berechnen. Für die Gleichung xe^x=a gibt es keine einfache Lösung, dafür wurde die Lambert-W-Funktion erfunden.
Implementation spezieller Funktionen sind meist in hochoptimierten Programmbibliotheken verfügbar, so dass Lösungen unter Verwendung solcher Funktionen oft besonders effizient und/oder genau sind. Spezielle Funktionen bilden also eine Art Standardbibliothek für die Mathematik.
Das Mathematische Seminar 2022 untersucht die vielfältigen besonderen Eigenschaften vieler dieser speziellen Funktionen und zeigt ihre weitreichenden Anwendungsmöglichkeiten auf. Seminararbeiten ergründen weitere Klassen von nützlichen speziellen Funktionen oder lösen konkrete Anwendungsprobleme, die sich dank spezieller Funktionen leichter lösen lassen.
Im Seminar 2021 wurde gezeigt, wie Matrizen für eine sehr grosse Zahl von Anwendungen genutzt werden können. Man kann durchaus sagen, dass Matrizen die Universaldatenstruktur der Mathematik sind. In Arbeiten der Studierenden wurde die geometrische Algebra behandelt, der Reed-Solomon-Code mit Matrizen durchgeführt und es wurden Erdbebendaten auf besonders effiziente Art und Weise gefiltert. Das Buch zum Seminar ist gerade im Druck und wird im November erscheinen.
Die Berechnung eines mathematischen Resultates mit Hilfe eines Computers ist oftmals anspruchsvoller als nur gelernte Formeln in eine Programmiersprache zu übersetzen. Rundungsfehler können die Genauigkeit limitieren, instabile Algorithmen können Zahlen produzieren, die überhaupt nichts mit den gesuchten Werten zu tun haben. Die Numerik ist das Teilgebiet der Mathematik, das sich mit den Herausforderungen der numerischen Berechnung befasst.
Das Mathematischen Seminar im Frühjahrssemester 2020 hat die Numerik thematisiert. Die folgenden Themen sind angesprochen worden:
Die Fourier-Theorie erlaubt, ein beliebiges periodisches Signal in Frequenzkomponenten zu zerlegen. Dabei geht allerdings die zeitliche Lokalisierung interessanter Ereignisse verloren. Mit verschiedenen Tricks kann man dieser Schwierigkeit etwas begegnen, dabei werden aber auch gewisse mathematisch schöne Eigenschaften zerstört. Wavelets rollen das Thema Signal-Analyse nochmals neu auf. Von der Konstruktion her sind sie besser in der Lage, Ereignisse im Zeitbereich zu lokalisieren. Die schönen Eigenschaften der Orthogonalität der bei der Fourier-Theorie verwendeten trigonometrischen Funktionen bleiben aber erhalten. Daher haben Wavelets grosse Bedeutung in der Signal- und Bildverarbeitung erhalten. Der JPEG2000 Standard verwendet zum Beispiel Wavelets für die Bildkomprimierung.
Im Mathematischen Seminar im FS 19 wurden die Grundlagen der Wavelets und der Wavelettransformation vermittelt.
KMN Kompetenzzentrum für Mathematik und Naturwissenschaften Professor, Leiter KMN
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