Welche Rolle spielt das Geschäftsmodell bei (technischen) Innovationen?

Technische Innovationen sind oft der Schlüssel zu Fortschritt und Wettbewerbsvorteilen. Doch warum reicht es zumeist nicht aus, neue Produkte oder Dienstleistungen einfach im bestehenden Geschäftsmodell zu vermarkten? Ein Beispiel ist die Geschichte von Xerox.

Im Jahr 1959 brachte Xerox das erste Fotokopiergerät auf Normalpapier, die Xerox 914, auf den Markt. Mit einer Kapazität von durchschnittlich 2.000 Kopien pro Tag war es 100-mal leistungsfähiger als die damaligen Geschäftskopierer. Zu dieser Zeit wurden Kopien entweder mit «nassen» fotografischen Verfahren oder mit qualitativ schlechteren, trockenen thermischen Verfahren hergestellt.

Das Hauptproblem für die Kommerzialisierung der Xerox 914 war der hohe Preisvon rund 2.000 $. Denn in den meisten Büros wurden nur wenige Kopien pro Tag gemacht, sodass es unwahrscheinlich war, dass Unternehmen so viel Geld für ein neues Gerät ausgeben würden, das sie nicht regelmässig benötigten.

Xerox überwand diese Hindernisse mit einem innovativen Geschäftsmodell. Anstatt die Geräte zu verkaufen, bot das Unternehmen einen Leasingvertrag an. Kunden zahlten nur 95 Dollar pro Monat und stimmten zu, nach den ersten 2.000 Kopien monatlich 4¢ pro weitere Kopie zu zahlen. Der Vertrag konnte mit einer Frist von nur 15 Tagen gekündigt werden. Dieses attraktive Nutzenversprechen verlegte das Risiko auf den Hersteller und machte das Angebot für Kunden sehr interessant.

Die tatsächlichen Einnahmen übertrafen die Erwartungen bei weitem. Bis 1962 war das kommerzielle Kopiergeschäft 400 Millionen Dollar wert, gegenüber 40 Millionen Dollar ein Jahrzehnt zuvor. Der Name Xerox wurde zum Synonym für Fotokopieren.

Technologische Innovationen garantieren keinen wirtschaftlichen Erfolg, denn Technologie allein stiftet keinen Kundennutzen. Markterfolg erfordert nicht nur ein gutes Produkt, sondern auch das passende Geschäftsmodell. Dieses beschreibt, wie ein Unternehmen oder Geschäftsbereich funktioniert sowie wie und welcher Nutzen für den Kunden gestiftet wird. Die zielgerichtete Ausgestaltung des Geschäftsmodells hilft dabei, neue Technologien erfolgreich zu vermarkten.

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Literatur

Baden-Fuller, C., Haefliger, S. (2013). Business models and technological innovation. Long Range Planning, 46(6), 419-426. doi.org/10.1016/j.lrp.2013.08.023

Chesbrough, H., Rosenbloom, R.S. (2002). The role of the business model in capturing value from innovation: evidence from Xerox Corporation’s technology spin-off companies. Industrial and Corporate Change, 11(3), 529-555. doi.org/10.1093/icc/11.3.529

Prof. Dr. Rigo Tietz
ISM Institut für Strategie und Marketing
+41 58 257 13 78
rigo.tietz@ost.ch

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Rigo Tietz ist Professor für Strategisches Management am Institut für Strategie und Marketing und Leiter des Kompetenzzentrums Strategie und Management. Seine Forschungsinteressen liegen in den Bereichen Geschäftsmodelle, Geschäftsmodellinnovationen und Wettbewerbsstrategie. Zuvor war er als Projektgeschäftsführer einer Gründungsinitative in Dresden, Vorstandsmitglied einer überregionalen Marketingagentur in Stuttgart sowie Gründer und Inhaber des eigenen Start-up-Unternehmens in Karlsruhe tätig. Rigo Tietz hat im Bereich Strategic Entrepreneurship über Spin-off-Ausgründungen aus Hochschulen und Forschungseinrichtungen promoviert.

 

 

 

 

Dr. Karl Neumüller
ISM Institut für Strategie und Marketing
+41 58 257 12 91
karl.neumueller@ost.ch

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Karl Neumüller ist Dozent für Strategisches Management am Institut für Strategie und Marketing (ISM). Er beschäftigt sich schwerpunktmässig mit den Themenfeldern «Management produzierender Unternehmen» und «Wissens- und Technologietransfer». Karl Neumüller unterrichtet die Fächer «Systemisches Management» und «Geschäftsmodellinnovation und Finanzierung». Vor seiner Zeit an der OST war er gut 10 Jahre in der Schweizer produzierenden Industrie tätig.