Dezentral und digital: Die nächste Generation der Handelsplattformen

12.12.2024

Die Finanzwelt ist nicht allein wegen bahnbrechender Errungenschaften im Bereich des Maschinellen Lernens im technologischen Wandel. Mittels Verschlüsselungstechnik und geeignetem Design können energieeffizient sogenannte «Smart Contracts» etabliert werden. Das sind dezentrale selbstausführende Verträge, deren Inhalt und bedingte Handlungsabläufe direkt in Code festgehalten werden. So werden Aktionen automatisch und sicher ausgeführt, sobald vordefinierte Bedingungen auf einer Blockchain erfüllt sind. Damit lässt sich beispielsweise das Abwicklungsrisiko von Handelskäufen nahezu eliminieren; der reservierte Betrag für eine bestellte Ware wird wirklich erst dann und ohne das Zutun einer Drittpartei ausgelöst, sobald der Erhalt zweifelsfrei (z.B. durch Scannen eines QR-Codes) bestätigt wurde. Im DeFi-Bereich («Decentralised Finance») gewinnt diese Errungenschaft zunehmend an Bedeutung. Eine der spannendsten Entwicklungen dabei sind die «Automated Market Makers (AMMs)», welche die zuverlässige Organisation von Handelsabläufen revolutionieren. In diesem Beitrag beleuchten wir, was AMMs sind und welche Aspekte zu beachten sind.

1. Was sind AMMs?

AMMs sind algorithmische Protokolle, die den Handel auf dezentralen Börsen («Decentralised Exchanges», kurz DEXs) ermöglichen, ohne dass eine zentrale Partei als Intermediär fungieren muss. Im Gegensatz zu traditionellen Marktplätzen, die auf zentralen Orderbüchern basieren, nutzen AMMs «Liquiditätspools». In diesen können Marktteilnehmende handelbare Vermögenswerte bereitstellen und werden dafür entlöhnt. Durch einen unvoreingenommenen Mechanismus werden die Preise dynamisch an Angebot und Nachfrage angepasst.

«Es geht nicht darum, Finanzintermediäre redundant zu machen, sondern diese mit einer sicheren und zeitgemässen Technologie auszustatten.»

Prof. Dr. Thomas Krabichler, Zentrum Banking und Finance

Die bekannteste Form eines AMMs ist der sogenannte «Constant Product Market Maker (CPMM)», der ein einfaches, aber leistungsstarkes Modell verwendet: Das mathematische Produkt der in einem Pool gehaltenen Tokens bleibt konstant. Wachsame Marktteilnehmende (natürliche oder juristische Personen, «Trading Bots») tragen zu effizienten Preisregelungen bei, indem sie nach monetären Opportunitäten Ausschau halten und allfällige Diskrepanzen unmittelbar ausgleichen. Im Vergleich zu traditionellen Orderbüchern ist dieses System verhältnismässig einfach, transparent und effizient.

2. Chancen und Herausforderungen für Liquiditätsanbietende

Für Anlegerinnen und Anleger entsteht eine Renditemöglichkeit, wenn Liquidität auf AMM-basierten Plattformen bereitgestellt wird. Auf den ersten Blick mag das attraktiv klingen, aber die Bereitstellung von Liquidität birgt das Risiko beträchtlicher Opportunitätskosten. Sollte sich das Gefüge zwischen zwei oder mehrerer Tokens signifikant ändern, kann es sein, dass die aus den Handelsgebühren finanzierte Rendite nicht genügt, um den vorläufig unrealisierten Verlust zu decken. Der Liquiditätspool wird im aktualisierten Gefüge aus zusätzlichen abgewerteten Tokens und weniger von den ertragsreichen Tokens zusammengesetzt sein. Oft wäre das Halten der Anlagen im eigenen Wallet die lukrativere Variante gewesen. Dieses Phänomen wird in der Fachsprache typischerweise mit «Impermanent Loss» bezeichnet. Der Impermanent Loss wird zwar erst mit dem Rückzug des eigenen Anteils aus dem Liquiditätspool realisiert. Die irreführend als «unbeständiger Verlust» bezeichnete Einbusse verschwindet aber nur, falls die Wechselkurse zwischen den Tokens wieder den Ursprungszustand annehmen (falls sie dies überhaupt je wieder tun).

Einerseits ist Liquidität für die Werthaltung und die Preisbildung unabdingbar. Andrerseits wird niemand Liquidität stellen, wenn Nichtstun die wirtschaftlich bessere Option ist. Eine kürzliche Studie von Werner Brönnimann und dem Institut für Finance und Law hat sich eingehend mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Sie zeigen auf, dass es Auswege aus dieser verzwickten Situation gibt. Zum Beispiel können Transaktionsgebühren in Abhängigkeit der Order- und Liquiditätspoolgrösse etabliert werden, um das Risiko des Impermanent Loss vollständig zu eliminieren.

3. Risikomanagement und Zukunftsperspektiven

Eine der vielversprechendsten Erkenntnisse der oben genannten Studie ist, dass sich auf eine verhältnismässig einfache Art und Weise die Abwicklung von AMMs bis ins letzte Detail, konsistent und in beliebiger Komplexität modellieren lässt. Ein zugehöriger Python-Code ist sogar frei für alle verfügbar. Damit ist ein äusserst hilfreiches Werkzeug für das quantitative Risikomanagement im Zusammenhang mit AMMs gegeben. Die Autoren stellen ferner nützliche Formeln bereit, die Arbitrageure und Liquiditätsanbietende in der Kalkulation optimierter Handelsstrategien unterstützen. Diese Rahmenbedingungen können die AMMs langfristig attraktiv machen und damit auch den Weg für eine breitere Akzeptanz von AMMs über den Krypto-Sektor hinaus bereiten.

Fazit: Einblicke in eine revolutionäre Technologie

AMMs bieten eine aufregende Möglichkeit, den dezentralen Handel zu erleichtern und Liquidität auf globalen Märkten zu sichern. Dennoch sollten Anlegende die Risiken, insbesondere den Impermanent Loss, genau im Blick behalten. Für diejenigen, die sich frühzeitig engagieren und die Mechanismen dieser Systeme verstehen, bieten sich jedoch enorme Chancen.

Möchten Sie tiefer in das Thema einsteigen und erfahren, wie Sie als Privatperson oder Firma von AMMs profitieren können? Lesen Sie den vollständigen Artikel unter https://doi.org/10.1007/s42521-024-00117-0 oder kontaktieren Sie uns. Das Zentrum Banking und Finance wird mit unseren Partnerinstitutionen auf alle Fälle am Ball bleiben.

Kontakt

Prof. Dr. Thomas Krabichler

IFL Institut für Finance und Law Kompetenzzentrum Banking und Finance

+41 58 257 12 18 thomas.krabichler@ost.ch