Forschungsprojekt

Mistery

Modellierung und Abschätzung der instationären aerodynamischen Strömung bei hoher Reynoldszahl

In der turbulenten atmosphärischen Grenzschicht treten bei immer mehr technischen Systemen aerodynamische instationäre Strömungen auf, darunter Windkraftanlagen, Hubschrauber und Luftfahrzeuge. Die Wechselwirkungen mit den Turbulenzen in der Atmosphäre können zu grossen Lastschwankungen, verkürzter Lebensdauer und verminderter Wirksamkeit der aerodynamischen Regler führen. Das Verständnis und die Modellierung dieser Wechselwirkungen ist daher ein Schlüsselthema auf dem Gebiet der instationären Aerodynamik, aber bei hohen Reynoldszahlen (> 10^6), bei denen Windturbinen und grosse Luftfahrzeuge arbeiten, wurde bisher wenig untersucht. Außerdem wird die Strömung bei Anstellwinkeln in der Nähe des maximalen Auftriebs eines Tragflügels dreidimensional (3D). Ein besseres Verständnis der instationären turbulenten Strömungen über Tragflächen würde dazu beitragen, die dynamischen Kräfte besser abzuschätzen und effizientere Modelle zur Steuerung von Tragflächen in diesen Umgebungen zu entwickeln. Heute ist dies jedoch nicht möglich, da es keine experimentellen Daten bei hohen Reynoldszahlen mit kontrollierter turbulenter Anströmung gibt, bei denen die dynamischen 3D-Strömungsstrukturen und ihre Oberflächendruckantworten gemessen werden. 

Dieses gemeinsame Projekt von SNF und ANR konzentriert sich auf die folgenden drei zentralen Forschungsaufgaben: 

  1. Bewertung des Einflusses verschiedener turbulenter Skalen auf die Lastschwankungen und die Strömungsablösung über Schaufeln bei hohen Reynoldszahlen. 
  2. Entwicklung von physikalisch basierten Modellen niedriger Ordnung zur Abschätzung der turbulenten aerodynamischen Strömung mit quantifizierter Unsicherheit und mit einem Minimum an Sensoren. 
  3. Implementierung des am besten geeigneten Modells niedriger Ordnung in ein schnelles, robustes Edge-Computing-Messsystem zur Abschätzung der instationären Lasten. 

 

Um diese zentralen Forschungsherausforderungen anzugehen, besteht das Konsortium aus interdisziplinären Forschern aus den Bereichen Strömungsdynamik (OST-IET, CSTB, EM2C), Strukturdynamik und datengesteuerte Modellierung (ETHZ-CSMM) sowie Elektronik für Sensoren und eingebettete Systeme (ETHZ-PBL). Das Konsortium wird einen bereits am CSTB gebauten Abschnitt eines Windturbinenflügels in Originalgrösse in ihrem Jules-Verne-Windkanal verwenden, der in Europa einzigartig ist und in dem die Anströmung für verschiedene Längen- und Zeitskalen der Turbulenz angepasst werden kann.  

Das Projekt umfasst drei verschiedene Arbeitspakete. Im ersten Arbeitspaket werden die räumlich-zeitlichen Eigenschaften der instationären Strömung auf der Grundlage von Wanddruckmessungen und zeitaufgelösten Strömungsfelddaten im CSTB-Windkanal analysiert und die getesteten Turbulenzskalen, die sich am stärksten auf die instationären aerodynamischen Lasten auf dem Profil auswirken, bewertet. Das zweite Arbeitspaket zielt darauf ab, Modelle niedriger Ordnung zu entwickeln, die die instationäre Strömungsstruktur und die entsprechenden Lastschwankungen durch Identifizierung der instationären Anströmung mit einem Minimum an Sensoren abschätzen. Dank des im ersten Arbeitspaket entwickelten Benchmarks werden sowohl ein physikalisch basiertes Modell niedriger Ordnung als auch physikalisch informierte datengetriebene Modelle entwickelt. Unser interdisziplinärer Ansatz soll originelle Ergebnisse liefern, darunter eine kombinierte Methode, die physikbasierte Modelle, Deep/Machine-Learning-Techniken und eingebettete Signalverarbeitung miteinander verbindet. Das letzte Arbeitspaket ist der Implementierung des Modells niedriger Ordnung auf rechnerisch rekonfigurierbaren Prozessoren mit Einschränkungen gewidmet. Das Sensorsystem wird als offene Forschungsplattform konzipiert und zunächst im CSTB-Windkanal und dann an in Betrieb befindlichen Windkraftanlagen evaluiert. Dieses Projekt wird wertvolle und einzigartige experimentelle Daten, eine offene Plattform und neuartige Modelle niedriger Ordnung für die Forschungsgemeinschaft bereitstellen, indem es bestehende Lücken zwischen verschiedenen Forschungsbereichen überbrückt. 

Laufzeit: 01.12.2022 - 01.01.2025