Daniel Seelhofer, Rektor der OST, begrüsste die rund 50 Gäste die sich zur bereits neunten Durchführung des Kulturzyklus Kontrast an der OST am Standort St.Gallen eingefunden haben. "Der Kulturzyklus bietet die Gelegenheit, Werke von Künstlerinnen und Künstlern mit Beeinträchtigungen sichtbarer zu machen", sagte er eingangs. Stefan Ribler, Projektleiter des Kulturzyklus Kontrast und Dozent in der Lehre Departement Soziale Arbeit, erklärte in seiner Einführung das neue System des Kulturzyklus. Die Veranstaltungen finden neu nicht mehr in einer Woche statt, sondern werden im Rahmen einer Weiterentwicklung auf einzelne Anlässe im Jahr aufgeteilt. Der nächste Termin soll im November stattfinden und baldmöglichst kommuniziert werden. Nach einem kurzen Rückblick auf zehn Jahre Kulturzyklus stieg Projektgruppenmitglied Renate Ribler, Primarlehrerin, direkt in die Diskussion mit Alex Oberholzer ein.
Wieso überhaupt ein Buch über seine Kindheit im Spital? Was war die Idee des Buches, eine Art Abrechnung? Oder als Mittel zur Verarbeitung der Erlebnisse? "Eine Abrechnung war es auf gar keinen Fall!" antwortete Alex Oberholzer auf die Frage. Immer wieder seien Menschen an ihn herangetreten und fragten ihn über seine lange Zeit im Spital aus. Er habe bemerkt, dass das Thema die Menschen interessiert. Auch seien Personen auf ihn zugekommen und meinten, er solle die Erlebnisse aufschreiben. So eine Kindheit hätten ganz wenige Menschen erlebt. Der wichtigste Grund aber war für Alex Oberholzer klar: "Ich wollte die Gelegenheit nutzen, dem Personal im Kinderspital Affoltern zu danken. Ohne diese Pflegerinnen, Physio- und Ergotherapeutinnen, wohlbemerkt alles weibliche Angestellte, wäre ich nie so gut geraten", betonte er. Das Buch sei also das Gegenteil einer Abrechnung.
Der erste Ausschnitt der Lesung drehte sich rund um die Schwestern, die Alex Oberholzer durch seine Zeit im Kinderspital begleiteten. Bildhaft beschrieb er, wie die verschiedenen Schwestern jeweils am Schritt zu erkennen waren: einige schlurften, andere tanzten, wieder andere schwebten oder stampften durch die Gänge. In einem weiteren Ausschnitt gewährte er einen Einblick in die schwierige Zeit des Übertritts vom Kinderspital nach Hause. Seine Familie war ihm fremd und in der Schule hatte er keine Freunde. So erfährt man im Buch auch, wie es Oberholzer hinbekam, dass er bis er 20 Jahre alt war, doch wieder regelmässig im Kinderspital Affoltern Zeit verbringen durfte, was ihm enorme Lebensqualität schenkte. Weder seine Eltern noch die Regelschule wurden auf die Situation seiner Rückkehr vorbereitet. Nahezu alle Beteiligten waren überfordert. Hier hakte Renate Ribler mit der Frage ein, ob er denn Lösungsansätze zur Inklusion von beeinträchtigen Kinder in der Schule habe. "Den Umgang mit beeinträchtigen Menschen lernt man nur, wenn man Kontakt hat", sagte Alex Oberholzer. Jedoch habe auch er kein Patentrezept auf Lager. "Jede Person und ihre Bedürfnisse sind unterschiedlich. Man muss dies jeweils individuell anschauen", fügte er hinzu. In gewissen Situationen könnten Sondersettings in der Schule auf jeden Fall Sinn machen. Jedoch sei es elementar, dass auch Kontakt mit der Aussenwelt, ausserhalb der "Bubble", stattfinde.
Nach einem letzten Lesungsteil schlüpfte Alex Oberholzer kurz zurück in die Rolle des Filmjournalisten und gab Statements zu unterschiedlichen Filmsequenzen. Beim nachfolgenden Apéro konnten die Teilnehmenden ihre Diskussionen weiter vertiefen.