Francesca Keller – hält locker mehrere Bälle in der Luft

Das Praxisprojekt in den USA war das Highlight ihres Studiums an der OST. 2014 machte sie den besten Abschluss. Inzwischen leitet sie die grösste Geschäftsstelle der Thurgauer Kantonalbank. Im Interview erzählt Francesca Keller, wie Praxisprojekte sie fit für eine Führungskarriere machten – und warum sie wenig darauf gibt, Jahrgangsbeste gewesen zu sein.

Francesca Keller, noch keine 30, sassest Du schon einer Bankleitung vor – zunächst bei der Raiffeisenbank Wängi-Matzingen. Wie kam es dazu?

Francesca Keller: Meinen aktuellen Job machte ich immer mit viel Leidenschaft. Einen Plan gab es nicht. Ich übernehme gern Verantwortung. Vorgesetzte glaubten an mich. Ich hatte gute Vorbilder und Mentoren – und schlussendlich den Mut, es ihnen gleichzutun.

 

Seit Anfang Jahr leitest Du das Privatkundengeschäft der Thurgauer Kantonalbank in der Region Frauenfeld. Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus und worauf legst Du Wert in der Führung?

Mein Arbeitsalltag ist sehr vielfältig. Ich bin für das Privatkundengeschäft mit rund 65 Mitarbeitenden an fünf Standorten verantwortlich: die klassischen Bankdienstleistungen, das Schaltergeschäft – aber auch Anlagen, Vorsorgen und Finanzierungen. Ich repräsentiere die Bank in Frauenfeld und pflege lokale Kontakte – die Kundinnen und Kunden immer im Fokus. Unser Anspruch ist, Mehrwert für sie zu schaffen und partnerschaftlich zu begleiten. Eine Handvoll Kunden betreue ich selbst. Das ist mir wichtig, um mit unseren Prozessen vertraut zu bleiben und die Bedürfnisse besser zu verstehen. Ich suche die Nähe zu den Mitarbeitenden und bin regelmässig in den Geschäftsstellen unserer Region präsent. Begegnung auf Augenhöhe ist mir sehr wichtig. Ich setze auf Vertrauen, statt Kontrolle – und gemeinsam gefeierte Erfolge. Zudem bin ich in verschiedenen Projekten involviert wie den Anbau, der in nächster Zeit bei der TKB Frauenfeld entsteht.

 

Profitierst Du noch vom OST-Studium?

Sehr stark! Die fachlichen Grundlagen sind wertvoll, noch viel wichtiger sind aber die erlernten Softskills. An der OST wird Belastbarkeit trainiert, man muss vieles parallel erledigen, Prioritäten setzen. Man lernt Zeitmanagement, analytisches und vernetztes Denken; Probleme nicht isoliert zu betrachten. Auch Konfliktmanagement ist Thema. Ganz wichtig sind dabei die Praxisprojekte. Sie sorgen für den Theorie-Transfer in die Praxis und bereiten optimal auf den Berufseinstieg vor. Nicht zu unterschätzen ist auch das Netzwerk aus dem Studium. Man lernt nie wieder so einfach neue Leute kennen. Manche bleiben Freunde fürs Leben – oder werden Mitarbeitende.

 

Die OST bietet ein Generalisten-Studium an, wobei man sich in höheren Semestern in eine Fachrichtung vertieft. Wie beurteilst Du dieses Konzept rückblickend?

Ich würde es wieder wählen. Es hilft definitiv für eine Führungslaufbahn, gerade in kleineren Firmen. Dort kann ein breiter Aufgabenmix mit Marketing, Jahresabschluss, Personalwesen oder gar Lohnadministration auf der Tagesordnung stehen. Das generalistische Bachelorstudium ermöglicht ein breites Verständnis von Prozessen und fördert die Akzeptanz von Führungskräften bei Mitarbeitenden. Persönlich habe ich einen Master in Banking and Finance angehängt, um mich in diesem Bereich noch zu vertiefen.

 

Was war das Highlight des Studiums?

Davon gab es zwei: Da ich die Studienrichtung International Management wählte, konnte ich ein Austauschsemester an der Robert-Morris-Universität in Pittsburgh in den USA absolvieren. Gerade als etwas überbehütete Jugendliche mit zwei älteren Geschwistern war das ein einmaliges Erlebnis. Das zweite Highlight war das internationale Praxisprojekte in den USA, wo ich ein interkulturelles Studierendenteam leiten durfte. Darauf war ich sehr stolz. Ich lernte, wie Teams mehr erreichen als Einzelkämpfer – und dass Diversität hilfreich ist.

 

Worum ging es konkret?

Wir waren für Bühler USA unterwegs. Industrie war völlig neu für mich. Ich wusste nur, die machen Maschinen für Schokolade und Pasta, mehr nicht. Bühler verkaufte diese erfolgreich in den USA. Für die Ersatzteile suchten die Kunden aber günstigere Alternativen. Wir untersuchten: Weshalb ist das so? Wie kann Bühler den Service verbessern?

 

Du hast den besten Abschluss Deines Jahrgangs geliefert und konntest Deinen ersten Arbeitgeber damit vermutlich frei wählen. Worauf hast Du geachtet? Wie begeistert man Talente aus Hochschulen?

Aus dem Abschluss machte ich mir nicht viel. Es war mir eher unangenehm. Um das an die grosse Glocke zu hängen, steht mir meine Bescheidenheit im Wege. Es gab auch fleissigere Studierende als ich. Ich profitierte von einer schnellen Auffassungsgabe. Aufgrund von Zeitungsberichten hat sich mein Abschluss herumgesprochen. Deshalb war potenziellen Arbeitgebern schon klar: Die ist belastbar, die kann mehrere Bälle in der Luft halten. Mir sind die Menschen wichtig, viel mehr als Lohn und Benefits: zuhören und Wertschätzung, ein Team, das etwas erreichen will. Ich gebe auch Vollgas ohne einen Chef, der mich antreibt. Es hilft aber, wenn er oder sie als Vorbild taugt.

 

Was rätst Du anderen Unternehmen? Wie holt man Absolventinnen und Absolventen von Fachhochschulen an Bord? Wie gelingt der Berufseinstieg?

Sie sollen ihnen Verantwortung übergeben und etwas zutrauen. Das Alter darf nicht immer Thema sein. Unternehmen müssen sich öffnen für neue Denkansätze, Bestehendes muss hinterfragt werden dürfen. FH-Leute haben einen tollen Rucksack, mit dem sie sich einbringen wollen. Dafür braucht es Raum. Perspektiven sind auch wichtig – und offene Diskussionen motivieren enorm.

 

Wohin geht Dein Weg noch?

Wie eingangs erwähnt: Ich plane ihn nicht. Ich gehe leidenschaftlich meiner Aufgabe nach. Wenn Chancen kommen, mehr Verantwortung zu übernehmen und breitere Themen zu bearbeiten, dann packe ich sie. Den nächsten Karriereschritt sollte man nicht verbissen verfolgen.

 

Der Banker-Ruf litt etwas in letzter Zeit. Was wünschst Du dem Schweizer Bankenplatz? Wofür setzt Du Dich ein?

Bodenständigkeit. Punkt!