«Wind Goes Digital» - Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung der Windenergie / Workshop-Bericht

Die Windenergie ist eine der Schlüsseltechnologien, um unsere ehrgeizigen Netto-Null-Ziele zu erreichen. Hierfür ist ein deutlicher Ausbau der Windenergie erforderlich, der mit verschiedenen technischen, politischen und sozialen Herausforderungen verbunden ist. Die Digitalisierung ist eine der wichtigsten Triebkräfte, um die Kosten und Risiken der Windenergie zu senken und damit diese Ziele zu erreichen. Aus diesem Grund konzentriert den Fachbereich Wind Energy Innovation am Institut für Energietechnik der OST ihre Aktivitäten auf die Entwicklung von Tools zur Bewältigung der Herausforderungen bei der Umsetzung der Digitalisierung in der Windenergie. Um Menschen zusammenzubringen, um diese Herausforderungen zu diskutieren, haben wir am 9. März 2023 in Zürich einen eintägigen Hybrid-Workshop «»Wind Goes Digital« - Die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung der Windenergie» durchgeführt. Das Feedback der 40 Teilnehmer:innen war sehr positiv und sie haben es besonders genossen, neue Leute kennenzulernen und spezifische Themen im Detail zu vertiefen. 

Die Bedeutung der Digitalisierung

In der ersten Session hörten wir zunächst von Sarah Barber, Leiterin des Fachbereichs Wind Energy Innovation an der OST, was Digitalisierung ist und warum sie in der Windenergie wichtig ist. «Digitalisierung» ist die branchenweite Nutzung von Daten und digitalen Technologien zur Wertschöpfung. Sie wird in der Branche immer wichtiger, weil wir uns immer mehr auf Daten und Datenverwertung verlassen, um Wettbewerbsvorteile zu erhalten. Ein Quiz zu Beginn ihres Vortrags zeigte, dass weniger als die Hälfte der Teilnehmer:innen die richtige Definition des Wortes «Digitalisierung» aus einer Auswahl von drei Begriffen wählte. Sie gab ein Beispiel für ein neues Projekt bei der OST, WeDoWind. WeDoWind ist eine Methode, die es Menschen aus allen Teilen der Welt ermöglicht, zusammenzuarbeiten und Daten und Wissen in einem sicheren Umfeld auszutauschen und zu verwalten, so dass eine für beide Seiten vorteilhafte Win-Win-Situation entsteht. Weitere Informationen finden Sie hier

Key-Note-Referent:innen 

Anschliessend sprach Eleni Chatzi, Leiterin der Professur für Strukturmechanik und Monitoring an der ETH Zürich (Schweiz), über die robuste Überwachung von Windenergie-Infrastrukturen: hin zu Augmented Twins. Sie sprach vor allem darüber, wie ihre Gruppe so genannte «hybride Modelle» entwickelt, die Daten und physikbasierte Modelle zum Lernen, Überwachen und Zwillingsbildung miteinander verbinden. Sie präsentierte ein Beispiel für das Aerosense-Projekt, eine Zusammenarbeit zwischen ihrer Gruppe und Sarah Barbers Gruppe an der OST. Ziel dieses Projekts ist die Entwicklung eines neuartigen MEMS-basierten aerodynamischen Oberflächendruck- und aeroakustischen Messsystems für Rotorblätter von Windenergieanlagen. Im Rahmen dieses Projekts wurde ein Deep-Learning-Modell auf simulierten Daten trainiert, das die Erosion der Vorderkante überwacht, indem es den Schweregrad der Degradation erkennt und klassifiziert (mehr dazu hier). Zu den neueren, noch nicht veröffentlichten Arbeiten gehört die Rekonstruktion der aerodynamischen Strömung aus spärlichen Messdaten. 

Vor der ersten Kaffeepause stellte Andy Clifton, CEO und Gründer von enviConnect (Deutschland), die Herausforderungen der Digitalisierung in der Windenergie vor. Er begann mit der Vorstellung der drei «Grand Challenges» für die Digitalisierung der Windenergie, die von einer Arbeitsgruppe aus der gesamten Windenergiebranche identifiziert und im Journal «Wind Energy Science» veröffentlicht wurden (Preprint unter doi.org/10.5194/wes-2022-29). Die drei Grand Challenges sind: (1) Daten: Schaffung eines FAIR-Dataframeworks; (2) Kultur: Verbindung von Menschen und Daten zur Förderung der Innovation; (3) Zusammenarbeit: Ermöglichung von Zusammenarbeit und Wettbewerb zwischen Organisationen. Anschliessend erörterte er, wie der «viscous cycle», in dem neue Ideen für die Digitalisierung «gefangen» sind, in einen «virtuous cycle» umgewandelt werden kann, der die notwendigen Voraussetzungen für die Entwicklung und den Nachweis des Wertes neuer digitaler Werkzeuge schafft (siehe Abbildung 1).
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Abbildung 1:      (a) Der “vicious cycle”;                                          (b) Der “virtuous cycle”. 

 

Beispiele für die Digitalisierung  

Nach der Kaffeepause hörten wir von fünf Personen aus der Windenergiebranche, die digitale Lösungen entwickeln. Imad Abdallah von der ETH Zürich (Schweiz) sprach über Schadensdiagnose mittels eines Ensembles von kollaborativen Analysemodellen. Daniel Heid von der WinJi AG (Schweiz) sprach über die Nutzung der riesigen Mengen an vorhandenen Daten, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Tom Clark von Octue (UK) sprach über «powerful power curves». Christopher Gray von I4see (Österreich) sprach über die Optimierung von Windparks: einfache Lösungen zur Lösung komplexer Probleme in grossem Massstab. Nikolay Krasimirov Dimitrov von DTU Wind (Dänemark) sprach über das Lösen von Herausforderungen mit digitalen Mitteln. Anschliessend fand eine Fragerunde statt, in der die wichtigsten Herausforderungen, die die Vortragenden bei der Entwicklung ihrer Tools sahen, festgehalten wurden. 

Nach dem Mittagessen, das freundlicherweise von der WinJi AG (Schweiz) gesponsert wurde, fuhren wir mit fünf Präsentationen von Beispielen ausserhalb der Windenergiebranche fort. Gionata Ferroni von EnergyVue (Grossbritannien) sprach über eine innovative Plattformarchitektur, die die Integration von Energiedaten aus mehreren Solaranlagen ermöglicht. Charlie Henderson von der Stacker Group (USA) sprach über die Schaffung gleicher Bedingungen für alle: die Schaffung eines offenen Zugangs zu Kooperationsnetzwerken. Daniel Wesierski von der Technischen Universität Gdansk (Polen) sprach über Deep Video Enhancement von intraoralen Szenen. Guido Schuster von der OST (Schweiz) präsentierte eine kurze Geschichte des einzigen EASA-qualifizierten 6DOF-VR-Hubschrauber-Pilotentrainingssimulators. Schliesslich präsentierte Djamel Lakehal von Afry (Schweiz) fortschrittliches Engineering und die Analyse von Anlagendaten mithilfe ihres e-DAP-Tools. In einer anschliessenden Fragerunde wurden die wichtigsten Herausforderungen festgehalten, die die Vortragenden bei der Entwicklung ihrer Tools sahen. 

Gemeinsam neue Lösungen entwickeln 

Die wichtigsten Herausforderungen, die im Laufe des Tages diskutiert wurden, wurden von den Teilnehmer:innen notiert, gruppiert und nach Prioritäten geordnet. Es wurden insgesamt fünf verschiedene Gruppen gebildet (drei vor Ort und zwei online), um eigene Lösungen zu entwickeln. Die diskutierten Herausforderungen waren: (1) Wie lassen sich Ideen in echte Produkte umsetzen? Wie kann man ihren Wert für die Gemeinschaft demonstrieren? (eine Online-Gruppe, eine Gruppe vor Ort); (2) Wie kann die Zusammenarbeit wirklich funktionieren? (eine Gruppe vor Ort); (3) Wie geht man mit «fehlenden» Daten im Sinne von zu geringer Häufigkeit, zu wenigen Messpunkten für eine bestimmte Komponente, zu wenigen gemessenen Windenergieanlagen, schlechter Datenqualität usw. um? (eine Online-Gruppe, eine Gruppe vor Ort). Die Sitzungen wurden von Organisator:innen von der OST moderiert und unterstützt. Die Ergebnisse wurden dann in der grossen Gruppe vorgestellt und diskutiert. Den sehr positiven Rückmeldungen der Teilnehmer:innen zufolge konnten in diesen Workshops nicht nur neue Ideen entwickelt werden, sondern viele der Teilnehmer:innen knüpften auch neue Kontakte, lernten etwas Neues und initiierten eine neue Zusammenarbeit. 

Open Source zur Förderung der Zusammenarbeit 

Zum Abschluss des Tages präsentierte Jason Fields vom National Renewable Energy Laboratory (USA) eine Strategie zur Verbesserung der Coopetition in der Windenergie, eine der «Grand Challenges», die Andy Clifton in seinem Vortrag zu Beginn des Tages vorgestellt hatte. «Coopetition» ist definiert als «Zusammenarbeit mit Wettbewerber:innen zum gegenseitigen Nutzen». Er sprach insbesondere über die Bedeutung von Open Source Code und offener Innovation und erwähnte bestehende Open Source Tools wie OpenFAST, PyWake, ENTR Alliance und Brightwind. Laut dem RedHat Open Source Report wählen 82% der IT-Führungskräfte mit grösserer Wahrscheinlichkeit einen Anbieter, der zur Open Source Community beiträgt! Er kam zu dem Schluss, dass Open-Source-Projekte sowohl ein öffentliches Gut als auch gut für die Wirtschaft sind, dass offene Datenstandards der Beginn einer modernen Datenarchitektur sind und dass der gemeinsame Wettbewerb die Grundlage moderner digitaler Unternehmen ist. 

Wie geht es weiter? 

Viele der auf dem Workshop diskutierten Herausforderungen werden im Rahmen der IEA Wind Task 43 (Digitalisation) behandelt, an der Sarah Barber von der OST als Mitglied des Organisationskomitees massgeblich beteiligt ist. Ziel dieser Aufgabe ist es, eine zentrale Knowledge Hub für den Austausch, die Entwicklung und das Testen innovativer Tools zur Beschleunigung der digitalen Entwicklung in der Windenergie aufzubauen. Bitte melden Sie sich bei Sarah Barber (sarah.barber@ost.ch), wenn Sie Interesse an einer Mitarbeit haben! 

 

Wir sehen uns bei unserer nächsten Veranstaltung «Networking Event Series Wind Energy 2023» am Dienstag, 26. September 2023!

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