Medienmitteilungen der OST

Thermische Netze locken rund 100 Teilnehmende an die OST

Medienmitteilung vom 8. November 2023

Am 9. Symposium Solarenergie und Wärmepumpen, welches wie jedes Jahr im Herbst das Institut für Solartechnik SPF an der OST Ostschweizer Fachhochschule organisierte, wurde mit «Thermischen Netzen» wieder ein sehr aktuelles Thema aufgegriffen. Die rund 100 Teilnehmenden freuten sich neben den 8 Vorträgen auch über die kleine Begleitausstellung und die Möglichkeit, einen Grosskollektor auf dem Testdach des SPF zu besichtigen.

Florian Ruesch vom SPF berichtet über aktuelle Wärmenetz-Projekte.
Die Teilnehmenden besichtigen auf dem Solar-Forschungsdach des SPF aktuelle Kollektoren und Test-Aufbauten.

Zum Einstieg in den Nachmittag ging Martin Jakob von TEP Energy auf die aktuelle und zukünftige Rolle thermischer Netze und insbesondere solcher mit Solarenergie und/oder Wärmepumpen bei der Dekarbonisierung des Energiesystems ein. Bei einem relevanten Teil der Gebäude sind keine erneuerbaren dezentralen Lösungen möglich. Umgekehrt ist ein grosser Teil der erneuerbaren Potenziale orts- oder infrastrukturgebunden, so dass sie nur durch ein Netz erschlossen werden können. Wichtig sei es dabei, den Ausbau thermischer Netze schnell voranzutreiben, damit nicht einzelne Gebäude bereits individuelle Lösungen umgesetzt haben, so Jakob.

Hürden abbauen für einen schnellen Netzausbau

Im nächsten Vortrag stellte Laure Deschaintre von Planair SA Ergebnisse aus einem durch die EU geförderten Projekt vor, an dem sechs europäische Länder inklusive der Schweiz beteiligt waren. In der Schweiz gibt es derzeit etwas mehr als 1'000 thermische Netze, die etwa 11 % des Wärmebedarfs decken. Viele Netze werden nicht oder nur zum Teil durch erneuerbare Energien versorgt, so dass eine doppelte Herausforderung entsteht: die Dekarbonisierung der Netze einerseits und ein starker Netzausbau andererseits. Aus dem Projekt entstanden ist unter anderem ein Leitfaden zur Dekarbonisierung thermischer Netze. Auch sie plädierte für einen schnellstmöglichen Ausbau der Netze und betonte die Wichtigkeit von Übergangslösungen – wofür es ebenfalls einen Leitfaden gibt. Auch Lösungen mit 100 % erneuerbaren Energien seien möglich und je nach Fall konkurrenzfähig. Dabei sei laut Deschaintre wichtig, dass wirklich alle Optionen für Wärmequellen geprüft werden.

David Stickelberger, Swissolar, ging anschliessend näher auf die Situation der Solarthermie in Wärmenetzen ein, welche in der Schweiz schwierig sei mit seit Jahren sinkenden Absatzzahlen. In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Deutschland stiegen dagegen die Zahlen insbesondere dank solaren Wärmeverbünden wieder. Solarwärme könne sowohl Energie im Winter sichern, Strom sparen und das Energiesystem insgesamt resilienter machen, wie die neue Swissolar-Roadmap Solarwärme zeigt. Allerdings bestehen aktuell erhebliche Hürden für solarthermische Anlagen in Wärmenetzen. Zum einen ist dies eine (noch) fehlende Wirtschaftlichkeit. Hier brachte Stickelberger eine angepasste Förderung oder ein Markteinführungsprogramm ins Spiel. Fehlende Flächen sind eine weitere Schwierigkeit. Auf Dachflächen besteht eine Konkurrenz zur Photovoltaik, Freiflächen sind mit dem Raumplanungsgesetz schwierig vereinbar. Potenziellen Betreibern von Wärmenetzen sind die Möglichkeiten einer Solarnutzung oft nicht bekannt. Ebenfalls fehlt Fachwissen bei Planungsbüros, was wiederum für hohe Kosten und keine aktive Akquise verantwortlich ist. Zum Abschluss plädierte Stickelberger für eine stärkere Zusammenarbeit von Anlagenbauern, der Industrie, der Solarwärmebranche und Betreibern von Wärmenetzen.

Grosse Wärmepumpen, grosse Solarkollektoren und grosse Energiespeicher

Nach der ersten Pause ging es mit einer vertieften Betrachtung der wichtigsten Komponenten thermischer Netze mit Solarenergie und Wärmepumpen weiter mit Beiträgen jeweils zu Grosswärmepumpen, Grosskollektoren und grossen Speichern. Den Auftakt macht Cordin Arpagaus von der OST mit Grosswärmepumpen, die bisher an der Gesamtzahl verkaufter Wärmepumpen mit 150 bis 300 Stück pro Jahr und einem Investitionsvolumen von etwa 50 Mio. CHF einen sehr kleinen Anteil haben. Arpagaus zeigte eine Marktübersicht der Grosswärmepumpen vorwiegend europäischer Hersteller, wobei jedes Modell für eine Anwendung zugeschnitten sei. Aktuell werden 182 oder 14 % der thermischen Netze mit Grosswärmepumpen betrieben. Als Wärmequelle für die grössten Netze dient Seewasser, gefolgt von Abwasser. Die Wärmepumpen erreichen typischerweise einen COP von ca. 4.0 bei Temperaturhüben von 50 K. Bei höheren Temperaturhüben sinkt der COP entsprechend, während er bei niedrigeren steigt. Arpagaus schloss mit einigen Umsetzungsbeispielen für Grosswärmepumpen in der Schweiz und Europa.

Andreas Bohren vom SPF beschäftigte sich im nächsten Beitrag mit der Frage, welcher Solarkollektor in welchem Wärmenetz eingesetzt werden sollte. Grundsätzlich gäbe es keine besonderen Wärmenetzkollektoren, aber viele Vorteile für Grosskollektoren gegenüber konventionellen, kleinen Kollektoren, vor allem bei Freiflächen. So bieten sie eine höhere Flächenausnutzung, weniger hydraulische Verbindungen und damit weniger Risiko für Lecks, einen einfacheren hydraulischen Abgleich, weniger Fundamente, eine schnellere Installation und schliesslich geringere Kosten. Für Grosskollektoren gibt es nur wenige Hersteller am Markt, überwiegend aus Europa. Die Wahl der Technologie hängt vor allem vom benötigten Temperaturniveau ab. Bei hohen benötigten Temperaturen von >100 °C bieten Vakuumröhrenkollektoren oder bei Dampfsystemen konzentrierende Systeme Vorteile (1. und 2. Generation Wärmenetze). Im Warmwasser- und Niedertemperaturbereich werden in der Regel konventionelle Flachkollektoren eingesetzt (3. und 4. Generation Wärmenetze), im mittleren Bereich kann auch Vakuumtechnologie Verwendung finden. Bei Anergienetzen können Photovoltaisch-Thermische (PVT) oder Air-Brine Kollektoren zum Einsatz kommen. Wichtig für einen hohen Ertrag sei, dass die Kollektoren dort einspeisen, wo die Temperatur am tiefsten ist. Zum Abschluss zeigte Bohren einige Umsetzungsbeispiele von grossen Aufdach- und Freiflächenanalgen, die auch eine gute ökologische Einbindung aufweisen.

Florian Ruesch, ebenfalls SPF, strich in seinem Beitrag zunächst die Bedeutung von saisonalen Speichern heraus. Sowohl Wasserkraft als auch insbesondere Solarenergie erzeugen im Sommer Überschüsse, während der Winterbedarf nicht vollständig gedeckt werden kann. Je nach Speicherdauer kommen unterschiedliche Speicher zum Einsatz. Stahltanks sind für wenige Tage bis Wochen geeignet, Betontanks im Bereich der Wochen während für mehrere Monate, also als saisonale Speicher, Erdbecken, Erdsonden und Aquiferspeicher eingesetzt werden können. Daneben können Speicher auch zur Deckung von Spitzenlasten dienen und damit fossile Spitzenlastkessel überflüssig machen, durch eine Reduzierung der Taktung einen effizienteren und schonenderen Betrieb der Wärmeerzeuger und einen stromgeführten Betrieb von Wärmepumpen ermöglichen und je nach Anwendung noch einige Vorteile mehr bieten. Auch Ruesch zeigte einige Umsetzungsbeispiele für die verschiedenen Speicherarten.

Best Practice Beispiele aus Deutschland, Dänemark und der Schweiz

Dirk Mangold, Solites, brachte verschiedene Best Practice Beispiele aus Deutschland und Dänemark mit. Er zeigte einige realisierte oder in Planung befindliche Beispiele mit 100 % erneuerbarer Energie und zum Teil über 50 % solarem Deckungsanteil. Dieser wird mit grossen Freiflächen-Solaranlagen erreicht. Dies führe häufig zu einer ökologischen Aufwertung der Flächen, beispielsweise durch Magerrasen, so Mangold. Bei neuen Projekten begegne ihm meistens zu Beginn die Aussage, dass keine Flächen vorhanden seien. Aber auch wenn es zunächst nicht so scheint, sei seine Erfahrung, dass man immer Flächen sowohl für Solaranlagen als auch für Speicher in ausreichender Grösse findet. Die Zahl der solaren Wärmenetze ist in Deutschland stark steigend, aktuell ist etwa die dreifache Solargrösse in Planung wie bereits in Betrieb. Auch zeigte Mangold einige Beispiele für die Umsetzung grosser Speicher. Diese müssen nicht unbedingt bei der Wärmezentrale errichtet werden, was wiederum die Flächensuche erleichtert.

Zum Abschluss ging es zurück in die Schweiz mit dem Umsetzungsbeispiel «Suurstoffi» in Rotkreuz, welches André Flückiger von eicher+pauli vorstellte. Dort wurde ein Anergienetz realisiert, also ein Netz auf niedrigem Temperaturniveau, bei dem die Versorgung mit Wärme und Kälte über gebäudespezifische Wärmepumpen und Wärmetauscher erfolgt. Zur Gewinnung von Solarwärme und Solarstrom wurden kombinierte Photovoltaisch-Thermische sowie reine Photovoltaikanlagen auf den Dächern und teils auch an den Fassaden der Gebäude im Areal installiert. Das Erdreich wird als Wärmespeicher genutzt, wofür rund 100 km Erdsonden installiert wurden. Eine Herausforderung dabei war, eine ausgeglichene Jahresbilanz zu erreichen, wozu Rückkühler eingesetzt werden. Diese können das Anergienetz je nach Bedarf gezielt mit Aussenluft erwärmen oder abkühlen. Das Ziel eines CO2-freien Betriebs konnte realisiert werden, allerdings konnte nicht ganz auf eine externe Energiezufuhr verzichtet werden, was ursprünglich ebenfalls ein Ziel war.

2024: 10. Symposium Solarenergie und Wärmepumpen

Auch zum ersten runden Geburtstag im nächsten Jahr ist wieder ein Symposium Solarenergie und Wärmepumpen geplant, wofür zum Abschluss bereits das neue Datum verkündet wurde: Es wird am 7. November 2024 wie gewohnt an der OST in Rapperswil stattfinden.