Schnelle Züge in den Bergen: OST Studierende entwickeln patentierungswürdige Prototypen

Medienmitteilung vom 13. Juni 2024

Panorama-Bahnfahrten durch die Schweizer Bergwelt prägen das Bild von Millionen aus- und inländischen Touristen. Für die Bahnbetreiber sind diese idyllischen Fahrten eine technische Herausforderung und die hohe Nachfrage rufen danach, neuen Lösungen zu suchen. Ohne das sehr bewährte Zahnrad könnten die Züge die teils starken Steigungen nicht überwinden. Aktuelle Systeme erlauben jedoch nur einen sehr langsamen Wechsel auf steile Bergstrecken, was die Kapazität der Streckenabschnitte begrenzt. Maschinentechnik-Studierende der OST haben ein Jahr lang an einer Lösung getüftelt: Zehn Prototypen konnten sie den Marktführern für Zahnstangensysteme TrackNet / Tensol Rail präsentieren. Für vier Prototypen wird die Patentierung geprüft.

Studierende inspizieren vor Ort ein Zahnstangensystem.
Studierende tüfteln an Alternativen zu aktuellen Systemen für Zahnradbahnen.
Studierende präsentieren ihre Prototypen vor Vertretenden des Auftraggebers Tensol Rail sowie von Bahn-Unternehmen, Verkehrsverbänden und weiteren Fachleuten.
Studierende präsentieren ihre Prototypen des Entwicklungsprojekts 2024 im Studiengang Maschinentechnik | Innovation.
Studierende präsentieren ihre Prototypen.

Zeit ist im Bahnverkehr Geld: Je mehr Züge auf einem Streckenabschnitt verkehren können, desto mehr Passagiere lassen sich transportieren. Deshalb wird seit Langem nach einer schnelleren Lösung für die aktuellen Zahnradsysteme gesucht. «Wenn wir das Tempo der Einfahrt von heute 10 km/h nur schon auf 20 km/h erhöhen könnten, würden wir zum Beispiel auf der Strecke Visp-Zermatt der Matterhorn Gotthard Bahn fünf Minuten Fahrzeit einsparen», rechnet Patrick Braess, Technischer Direktor bei TrackNet / Tensol Rail, vor. Die Firmen sind die Schweizer Branchenführer in der Lieferung und Wartung von Eisenbahn-Oberbaumaterial und legten ihr Vertrauen in die OST: Im Rahmen des jährlichen Entwicklungsprojekts entwickelten und testeten 60 angehende Maschinentechnik-Ingenieurinnen und -ingenieure insgesamt zehn Prototypen eines verbesserten Zahnradsystems. Die heute meistverwendeten Systeme sind seit den 1990er Jahren im Einsatz. Könnten sie verbessert werden, wäre eine wirtschaftlich interessante Beschleunigung des Bahnverkehr in den Bergen möglich.

«Anpassungen an Streckenführungen für schnellere Fahrten im topographisch anspruchsvollen Gelände kosten schnell hohe Millionenbeträge. Wenn wir eine Lösung für eine schnellere Einfahrt in die Zahnstangenabschnitte entwickeln könnten, würde der Preis für einen Zeitgewinn auf wenige hunderttausend Franken sinken», erklärt Braess. Das würde seinen Kunden, den Bahnbetrieben in der Schweiz, höhere Kapazitäten für weniger investiertes Geld ermöglichen. Und gleichzeitig die Marktstellung von TrackNet / Tensol Rail festigen.

Aufgabenstellung ohne bekannte Lösung: Ein ungewisser Start in eine Herausforderung

Genau diese Praxisnähe war ein ideales Ausgangsszenario für die Maschinentechnik-Studierenden der OST. «Nach ihrem Studium werden unsere Absolventen genau solche Situationen antreffen: Sie müssen als Ingenieurinnen und Ingenieure in einem begrenzten Zeit- und Kostenrahmen Lösungen für ihre Unternehmen finden, damit diese im weltweiten Wettbewerb die Nase vorn haben», sagt Studiengangleiter Hanspeter Keel.
Damit das Entwicklungsprojekt ein echtes Highlight im Studium ist, arbeitet der Studiengang jedes Jahr mit einem Unternehmen zusammen, das eine Lösung für ein reales Praxisproblem sucht. «Das Besondere dabei ist, dass weder der Auftraggeber noch die Dozierenden, die eine richtige Musterlösung für das Problem kennen. Das Entwicklungsprojekt bietet den Studierenden dadurch eine praxisorientierte, interessante Herausforderung und bereitet sie gleichzeitig sehr realitätsnah auf ihren künftigen Berufsalltag vor», sagt Maschinentechnik-Professor Albert Loichinger. Weil dabei auch jedes Mal ein Auftraggeber wettbewerbsrelevante Ideen und Prototypen erhält und sich direkt mit den Entwicklerinnen und Entwicklern über die Details der Konzepte austauschen kann, sind die Präsentationen der Prototypen sowohl für die Studierenden-Teams, Dozierende und Auftraggeber besonders interessant.

Schweizer Bahnbranche zu Gast an der OST

Wie hoch die Praxisrelevanz der entwickelten Zahnrad-Systeme eingeschätzt wird, zeigte sich Anfang Juni an der OST. Bei der Präsentation der Prototypen fanden sich neben Auftraggeber Tensol Rail auch diverse Vertretende von vielen Schweizer Bahnunternehmen von Stadler Rail bis zur Matterhorn Gotthard Bahn ein. Auch das Bundesamt für Verkehr (BAV) sowie Vertreter des Verbands öffentlicher Verkehr (VöV) liessen es sich nicht nehmen die verschiedenen Ansätze zu begutachten.

Diese trafen einen beeindruckten Patrick Braess an: «Sie haben eine mechanische Aufgabe von nationaler Tragweite bearbeitet. Dass vier Projekte nicht öffentlich präsentiert werden, zeigt, wie gut Sie daran gearbeitet haben», sagte er an der Abschlusspräsentation des Entwicklungsprojekts zu den Studierenden-Teams. Vier der insgesamt zehn Prototypen, die die Studierenden erfunden haben,werden für eine Patentierung genauer geprüft.

Tensol Rail lotet nun zusammen mit verschiedenen Bahnunternehmen aus, welche Prototypen patentiert, weiterentwickelt und schliesslich produziert, verkauft und exportiert werden können.