Die Kunststoffbranche trifft sich an der Ostschweizer Fachhochschule

Medienmitteilung vom 5. September 2024

Das 19. Rapperswiler Kunststoffforum war auch in diesem Jahr ein Fixpunkt der Kunst-stoffbranche. 170 Vertreterinnen und Vertreter der kunststoffverarbeitenden Industrieaus der Schweiz und dem nahen Ausland nutzten die Gelegenheit, sich mit Expertinnen und Experten des IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung an der OST auszutauschen. Im Fokus standen neue Technologien, aktuelle Trends und Innovationen aus den Bereichen der Werkstoffentwicklung, der Produktions- und Verarbeitungsmetho-den, sowie der Qualitätssicherung. Neben Fachvorträgen und Themen aus der Branche standen auch wieder Laborpräsentationen mit eindrücklichen Beispielen aus aktuellen Projekten mit der Industrie im Fokus.

Rund 170 Besucherinnen und Besucher schauen sich beim Rapperswiler Kunststoffforum 2024 im Techpark der OST um.
In lockerer Atmosphäre tauschen sich Forschende der OST mit Vertreterinnen und Vertretern der Kunststoffbranche aus.
Viele Fragen zu aktiven Forschungs- und Entwicklungsprojekten können beim Kunststoffforum direkt vor Ort besprochen werden.
Neue 3D-Drucker im Techpark der OST
Fachgespräche im Werkstoffprüflabor des IWK

Wie Fortschritt wirklich funktioniert, lässt sich jedes Jahr beim Rapperswiler Kunststoffforum be-obachten. Nicht jede Innovation krempelt gleich die ganze Branche um. Stattdessen fliessen viele kleine und grosse Forschungsprojekte schrittweise in eine Industrie ein, an die in einem dynami-schen globalwirtschaftlichen Umfeld immer höhere Anforderungen gestellt werden: Kunststoff-produkte sollen laufend energieeffizienter und ressourcenschonender produziert werden, die Um-welt nicht mehr verschmutzen und gleichzeitig günstig, vielseitig, robust, flexibel einsetzbar und komfortabel anzuwenden sein. Die angewandte Forschung und Entwicklung am IWK Institut für Werkstofftechnik und Kunststoffverarbeitung setzt genau dort an: in enger Zusammenarbeit mit der Industrie werden Prozesse verbessert, neue Produktionsschritte und Materialien erforscht oder bekannte Werkstoffe und Maschinen mit innovativen Fertigungstechniken kombiniert, um bisher unmögliche Produkte möglich zu machen.

In diesem Jahr zeigte sich wieder eindrücklich, wie innovationsfreudig die Kunststoffbranche ist. Darunter sind hochaktuelle Themen aus dem Bereich Digitalisierung wie ein selbstlernender Algo-rithmus zur automatischen Balancierung des Füllverhaltens bei Mehrkavitätenwerkzeugen oder eine autonome Fertigungszelle mit autonomem Logistikroboter und Online-Qualitätsüberwachung. Auch das Thema Nachhaltigkeit wurde facettenreich vorgestellt: zum Beispiel mit der ressourcen-schonenden Bauteilauslegung durch integrative Simulationen oder anhand von Beispielen gelun-gener Kreislaufwirtschaft beim Kunststoffrecycling.

Bei den Fachvorträgen in der Aula dominierten die beiden Themenfelder ebenso wie in den La-borpräsentation im Techpark in Rapperswil-Jona. Nachfolgend werden die wichtigsten Neuerun-gen in allen Fachbereichen des IWK vorgestellt:

Fachbereich Faserverbundtechnik/Leichtbau

Der Fokus beim diesjährigen Kunststoffforum lag auf nachhaltigen Materialien und Prozessen. In Zusammenarbeit mit Inspire und Thermoplan hat das IWK neue Verarbeitungsmethoden für wenig aufbereitete Recycling-Materialien entwickelt. Diese eignen sich insbesondere für Strukturbauteile oder schalenförmige Komponenten und zeichnen sich durch einen besonders niedrigen CO2-Fussabdruck aus. Ein Beispiel: Aus alten Kaffeebechern werden ressourcenschonende Kunst-stoffschalen für Automaten.

Fachbereich Spritzgiessen

Beim Spritzgiessen standen in diesem Jahr die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit im Vor-dergrund. Besonders hervorzuheben ist die Entwicklung eines selbstlernenden Algorithmus zur automatischen Heisskanalbalancierung sowie eine autonomen Fertigungszelle mit ebenfalls auto-nomem Logistik-Roboter und einer Online-Qualitätsüberwachung. Im Bereich der Nachhaltigkeit wurde das Folienhinterspritzen mit Recycling-Polypropylen aus Bauteilen der Automobilindustrie präsentiert. Dieser Prozess ermöglicht die Herstellung dekorativer Bauteile in einem One-Step-Verfahren, wodurch auch Rezyklate ohne Qualitätsverlust in optischen Bauteilen eingesetzt wer-den können. Zudem wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Freitag die Kreislaufwirtschaft von Polyamid anhand einer Rucksackschnalle untersucht.

Fachbereich Verbindungstechnik

Bedeutende Fortschritte gab es auch in der Verbindungstechnik. Ein Projekt in Zusammenarbeit mit der Kisling AG und 3A Composite Mobility fokussierte sich auf das Kleben von hybriden Leichtbau-Metall-Sandwichstrukturen mit integrierten Batteriegehäusen. Ziel war es, ein optimales Wärmemanagement zu gewährleisten und gleichzeitig hohe mechanische Eigenschaften zu erzie-len. Ein weiteres Projekt befasste sich mit der Entwicklung eines Python-Skripts für die kontinuier-liche optische Simulation von Laserschweissungen von Kunststoffbauteilen. Hierbei werden die Schweissbarkeit und kritische Stellen eines Bauteils mit einer 3D-Schweisskontur allein anhand der CAD-Daten bewertet, um schnell Optimierungsvorschläge für die Bauteilgeometrie zu liefern und die Auslegungszeit komplexer Schweissnähte von mehreren Tagen auf nur wenige Minuten zu reduzieren. Darüber hinaus wurde das Induktionsschweissen von Organoblechen weiterentwi-ckelt, um ein nachhaltiges Produkt-Life-Management und das Recycling von Composite Bauteilen zu ermöglichen.

Fachbereich 3D-Druck/Additive Fertigung

Ein Highlight im Bereich des 3D-Drucks ist die Entwicklung massgeschneiderter Kunststoffpulver für das selektive Lasersintern. Am IWK wurde eine Prozesskette etabliert, mit der Polymere unter Verwendung eines Hochdruckreaktors in Kombination mit geeigneten Lösungsmitteln als sphäri-sche Pulver ausgefällt werden. Die Partikelgrössenverteilung, REM-Aufnahmen und DSC-Messungen ermöglichen Rückschlüsse auf den Einfluss der Fällungsparameter. Zudem kann die Verarbeitung der Pulver im SLS-Prozess mit verschiedenen SLS-Forschungsmaschinen am IWK evaluiert werden. Eine weitere Neuerung ist die neue Version des 5-Achsen-3D-Druckers IWK 5X MK2, der nun auch den 3D-Druck mit Endlosfasern, Granulaten und Flüssigkeiten erlaubt und somit innovative Anwendungen ermöglicht, die mit herkömmlichen 3-Achsen-Druckern nur einge-schränkt realisierbar sind.

Fachbereich Compoundierung/Extrusion

Der Fachbereich Compoundierung/Extrusion baut seine Kompetenzen im Bereich der Nachhal-tigkeit kontinuierlich aus. Neu sind Beratungen und Umweltbewertungen möglich, unter anderem in Bezug auf den CO2-Fussabdruck und Ökobilanzierungen. Zur Bewertung der Energieverbräu-che in der Produktion sind zahlreiche Daten erforderlich, die heute oft noch gar nicht erfasst wer-den. Die ZSK 26 am IWK wurde modernisiert und mit der neuen Software «C-Beyond» ausgestat-tet, die eine Auswertung der Verbräuche auf einzelne Motoren ermöglicht. Im laufenden Betrieb wurde zudem die Aufbereitung von 3D-Druck-Abfällen zu Minigranulat demonstriert. Die Ferti-gungszelle zum extrusionsbasierten Schmelzeauftrag mittels Roboter geht nun in die dritte Di-mension, wobei ein Kanister aus Polypropylen gedruckt wurde.

Fachbereich Metall

Im Fachbereich Metall wurde unter anderem zusammen mit zai an der Entwicklung neuer Skier gearbeitet. Durch den verstärkten Einsatz von Simulationen konnte die Anzahl der Prototypen reduziert und somit der Ressourceneinsatz gesenkt werden. Die Korrelation von Simulationen, objektiven Tests und subjektiven Fahreindrücken stellt dabei eine besondere Herausforderung dar. Ein weiteres Highlight war die Zusammenarbeit mit SkyCell im Rahmen eines Innosuisse-Projekts zur Entwicklung von Hybrid-Containern für den Transport von Medizinalgütern. Diese Container sind nun leichter und flexibler, sodass beispielsweise Rahmenkomponenten wiederver-wendet werden können. Ausserdem wurden im Vergleich zum Vorjahr neue Cutter von Zünd vor-gestellt.