News aus dem Departement Technik

Rückblick auf die ExpertInnengespräche «Power-to-X» 2023

26.06.2023

Bereits zum 14. Mal begrüsst Markus Friedl zu den Expertinnen- und Expertengesprächen Power-to-X am Campus Rapperswil-Jona der OST Ostschweizer Fachhochschule. Markus Friedl leitet das IET Institut für Energietechnik und gründete im Jahr 2014 die Power-to-Gas-Forschungsgruppe. Seither hat die Entwicklung dieser neuen Technologien an Fahrt aufgenommen und es wird längst nicht mehr «nur» Power-to-Wasserstoff und Power-to-Methan besprochen, sondern auch flüssige und solide Energieträger. In dieser Durchführung der Expertinnen- und Expertengespräche lag der Fokus auf der Steigerung der Effizienz von Power-to-X durch die neue Technologie der Hochtemperaturelektrolyse, insbesondere bei der Forschungsanlage «High Efficiency Power-to-Gas Pilot (HEPP)».

Hier einen kleinen Einblick in die verschiedenen Vorträge an den ExpertInnengespräche 2023:

 

Interessengemeinschaft Power-to-X

Peter Graf, Bereichsleiter, St.Galler Stadtwerke SGSW

Die Interessensgemeinschaft (IG) Power-to-X ist ein Zusammenschluss vieler kleiner Werke im Raum St. Gallen. Das Ziel ist unter anderem, gemeinsam Forschungsprojekte zu unterstützen, welche das Budget eines einzelnen Betriebs übersteigen würden. Die IG Power-to-X möchte aber auch den Diskurs auf lokaler Ebene unterstützen, da dieser ihrer Meinung nach derzeit hauptsächlich auf nationaler Ebene geführt wird. Gemäss verschiedener Energieszenarien wird es auch nach Erreichen des Klimaziels von Netto-Null-Treibhausgasemissionen im Jahr 2050 noch Gasbedarf geben, wenn auch reduziert. Diesen allein über biogene Quellen zu decken wird schwierig, deshalb müssen Power-to-X-Projekte auch auf lokaler Ebene vorangetrieben werden.

 

Elektrolyse- und Brennstoffzellen-Technologie: Eine kleine Übersicht

Stefan Oberholzer, Leiter Forschung PV und Wasserstoff, Bundesamt für Energie

Elektrolyseure und Brennstoffzellen sind elektrochemische Wandler. Die Elektrolyse wandelt Strom in Wasserstoff und Wärme um, die Brennstoffzelle wandelt Wasserstoff zu Strom und Wärme. Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren weisen Brennstoffzellen dabei eine viel höhere thermodynamische Effizienz auf, bei Raumtemperaturen bis zu 83 %.

Es gibt fünf verschiedene Brennstoffzellentypen:

  • Alkalische Brennstoffzelle (Alkaline Fuel Cell, AFC),
  • Phosphorsäurebrennstoffzelle (Phosphoric Acid Fuel Cell, PAFC),
  • Polymerelektrolytbrennstoffzelle (Polymer Electrolyte Fuel Cell, PEFC), auch Protonenaustauschmembran-Brennstoffzelle (Proton Exchange Membrane Fuel Cell, PEMFC) genannt,
  • Schmelzkarbonatbrennstoffzelle (Molten Carbonate Fuel Cell, MCFC) und
  • Festoxidbrennstoffzelle (Solid Oxide Fuel Cell, SOFC),

wobei die beiden letzteren im Hochtemperaturbereich agieren. Dabei ist die PEFC insbesondere für die Mobilität, aber auch für dezentrale stationäre Strom- und Wärmeversorgung gut geeignet. Die SOFC ist für letzteres ebenfalls gut anwendbar. Der Brennstoffzellenmarkt ist für die PEFC derzeit mit Abstand am grössten. Seit 2020 sind 47 Brennstoffzellen Lkws (Hyundai XCient Fuel Cell) auf Schweizer Strassen unterwegs, derzeit sind 15 Wasserstofftankstellen in der Schweiz in Betrieb.

Es gibt ein Schweizer Start-up («EHGroup»), welche neuartige PEM-Brennstoffzellenstacks produziert, mit hohen Leistungsdichten. Bei stationären Brennstoffzellenanwendungen kommen Festoxidbrennstoffzellen (SOFC) und PEFC zum Einsatz. Anwendungspotenzial gibt es insbesondere im Bereich Stromversorgung für Datenzentren, WKK (Micro-WKK), Mobilitätsanwendungen (z.B. maritimer Bereich).

Bei den Elektrolysetechnologien gibt es die folgenden:

  • Alkalische Elektrolyse (AEC),
  • Anionen-Austausch-Membarn-Elektrolyse (AEM),
  • Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse (PEM) und
  • Festoxid-Elektrolyse (SOEC),

wobei letztere eine Hochtemperatur-Elektrolyse ist. Die Attraktivität der Hochtemperaturelektrolyse besteht darin, dass ein Teil der Energie, welche zum Spalten benötigt wird, über Wärme zur Verfügung gestellt werden kann.

Die kumulierte Elektrolysekapazität aller angekündigten Projekte für Wasserstoffproduktion bis 2030 beträgt über 230 GW, was ein Wachstum um das 300-fache in den nächsten sieben Jahren erfordert. Davon sind allein 80 GW in Europa angekündigt. In der Schweiz existiert derzeit eine grüne Wasserstoffproduktion von insgesamt 6.5 MW (in Betrieb), weitere 60 MW sind in Bau, Planung oder angekündigt.

Informationen zu laufenden und abgeschlossenen Projekten sowie zu Akteuren aus Industrie und Hochschule im Bereich Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie finden sich unter https://h2.energyresearch.ch/.

 

Die Zukunft der Hochtemperatur-Elektrolyse

Zacharie Wuillemin, Teamleiter Entwicklung, SolydEra SpA

Die Firma SolydEra wurde als HTceramix im Jahr 2000 gegründet und legt seit 2016 einen Fokus auf die Hochtemperaturelektrolyse dazu. Ihre Technologie basiert auf Festoxidbrennstoffzellen (SOFC), welche im reversiblen Modus zur Strom- und H2-Produktion betrieben werden können. Dabei kann die SOFC mit einer Vielzahl von Brennstoffen betrieben werden, darunter Erdgas, Wasserstoff, Propan/Butan-Gemische (LPG), Ammoniak, Biogas und Synthesegas. Derzeit hat SolydEra 3'000 Systeme installiert, welche somit unter realen Bedingungen betrieben werden und ständig reale Daten an SolydEra zurückliefern.

Die Anwendung der Hochtemperaturelektrolyse ist dabei insbesondere in der Industrie interessant, z.B. für die Stahlproduktion, für die chemische Industrie oder zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Aber auch bei Rechenzentren oder für Blockheizkraftwerke kann die Technologie angewendet werden. Der Vorteil bei grossindustriellen Anlagen, wie bei der Stahlindustrie, ist die häufige Verfügbarkeit von Abwärme, welche zur Produktion des Wasserdampfs genutzt werden kann.

 

Das Projekt HEPP im Überblick

Luca Schmidlin, Projektleiter IET und Co-Founder AlphaSYNT

Der Startschuss zum Bau der HEPP (high efficiency power-to-gas pilot) war 2018, das Projekt läuft nun seit rund sechs Jahren – und hat sich stetig weiterentwickelt. Ein wichtiges Element des Projekts war der Dampferzeuger. Dieser erzeugt rund 3,5 kg/h Dampf mit Temperaturen um die 200°C und mit Druckschwankungen unter 20 mbar, wie sie für die Speisung des Hochtemperaturelektrolyseurs erforderlich sind. Dabei mussten Druckschwankungen im Dampf musste unter 20 mbar gehalten werden (Pulsation). Temperatur und Durchfluss stellten dagegen keine Herausforderung dar. Im Projekt wurden auch neue Technologien im Projekt angedacht und getestet, so die sorptionsverstärkte Methanisierung.

In der Anlage erreichte das produzierte Methan eine Einspeisequalität nach bereits 1-2 Minuten, und dies nach der alten Norm, in welcher maximal 2 % Wasserstoffanteil erlaubt war. Heute wären bis 10 % möglich, wenn es das betroffene Gasnetz erlaubt.

 

Die Hochtemperatur-Elektrolyse im Projekt HEPP

Jan Van herle, Leiter Group of Energy Materials (GEM), EPFL

Eine Hochtemperaturelektrolyse kann in zwei Richtungen betrieben und entweder zur Wasserstoffproduktion oder als Brennstoffzelle (SOFC) zur Stromproduktion genutzt werden. Der Vorteil eines reversiblen Betriebs sind tiefere Kosten (Investitions- und Betriebskosten), da nur eine statt zwei Anlagen betrieben werden müssen. Auch ist die Effizienz in beide Betriebsrichtungen sehr hoch.

An der Forschungsanlage an der OST wurden zwei G80 stacks von SolydEra getestet (mit je 5 kWel). Aus Sicherheitsgründen mussten jedoch während dem Projekt die Mitarbeitenden der EPFL beim Betrieb ständig vor Ort sein. Da in den Testwochen die Anlage Tag und Nacht betrieben wurde, hiess das, dass drei Personen im 8-Stunden-Schichtbetrieb bei der Anlage vor Ort waren.

Bei den Tests wurde beim Wasserstoffoutput ein Druckanstieg von 30 mbar gemessen, wenn der Kompressor eingeschaltet wurde. Dieser Anstieg muss möglichst klein gehalten und kontrolliert werden. In der zweiten Testwoche konnte trotz den neuen Stacks keine Wirkungsgradverbesserung gegenüber der ersten Testwoche festgestellt werden, trotz dem Einbau von neuen Stacks. Der Grund dafür wird bei einem möglichen Leck mit Dampfverlust vermutet.

Im Projekt wurde eine Wasserstoffumsetzung von 98.5 % erreicht, und sowohl eine CO2- als auch eine CO/CO2-Methanisierung erfolgreich durchgeführt. Die Effizienz des Wärmeaustauschs betrug zwischen 80 und 91 %, wobei die Methanisierungswärme 87 – 113 % des von der Hochtemperaturelektrolyse benötigten Dampfes erzeugte. Das Projektziel einer Kopplung von Hochtemperaturelektrolyse und Methanisierung konnte erreicht werden.

 

Erkenntnisse aus der Kopplung von Hochtemperaturelektrolyse und Methanisierung im Projekt HEPP

Christoph Steiner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Power-to-X, IET

Ein zentraler Teil des Projekts HEPP (high efficiency power-to-gas pilot) beinhaltete die Kopplung von der Hochtemperaturelektrolyse mit der Methanisierung. Das ganze Projekt stand dabei unter dem Motto «Erwarte das Unerwartete» - immer wieder führten Herausforderungen in der Messtechnik oder Leckagen zu Schwierigkeiten in den Testphasen. Und nach jeder Testphase wurden die neu gewonnen Erkenntnisse in die Anlage integriert, was jeweils zu erneuten Umbauten führte und damit auch jeweils neue Inbetriebnahmen mit z.B. einer Dichtheitsprüfung mit sich brachte. Dies vereinfachte die Auswertung der Messdaten nicht, da die Bedingungen nicht gleichbleibend waren. Doch alles in allem hat das Projekt gut funktioniert und die komplexe Anlage mit über 400 Sensoren, Aktoren, Geräten und Ventilen konnte funktionsfähig betrieben werden.

Eine Randbedingung seitens Hochtemperaturelektrolyse ist, dass der Wasserstoff möglichst ohne Druckschwankungen angesaugt werden muss. Dieser kommt mit einem minimalen Überdruck von bis zu 25 mbar aus der Elektrolyse, für die spätere Methanisierung wird jedoch ein Überdruck von rund 11-12 bar benötigt.

Verbesserungsmöglichkeit wird bei der Membrane gesehen, welche selektiver auf Wasserstoff und CO2 sein könnte. Ein hoher Methan-Massenstrom im Recycling-Gas behindert die Methanisierung (aufgrund des Le-Chatelier-Prinzips) und erfordert mehr Kompressionsaufwand. Können Eduktgase dank geringerem Volumenstrom länger im Reaktor verweilen, begünstigt dass die Methanproduktionsrate. Desweitern ist die Temperaturkontrolle sehr wichtig, damit sich im Katalysator keine zu hohen Hot Spot-Temperaturen über 650 °C bilden. Dies kann dank einer zusätzlichen, räumlich getrennten Eindüsung von CO2 unter Kontrolle gehalten werden.

Ein Ziel des HEPP-Projekts war eine mögliche Wirkungsgradsteigerung der Power-to-Methan-Produktion mit SOE gegenüber PEM zu prüfen, welche auch festgestellt werden konnte. Der Wirkungsgrad vergleichbarer Power-to-Methan-Anlagen liegen im grosstechnischen Bereich bei 50 – 55 %. Eine Erkenntnis des Projekts ist es, dass Gesamtwirkungsgrade von 65-70 % (dank Wärmeauskopplung für die Dampfproduktion) für die Kopplung deiner Hochtemperaturelektrolyse mit einer Power-to-Methan-Anlage möglich scheinen. Diese These gilt es in weiteren Versuchsreihen oder in grösseren Projekten noch zu festigen.

 

Neue Technologien zur Methanisierung im Projekt HEPP

Stefanie Mizuno, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, «Advanced Materials & Processes Group», Umtec, OST

In der Biogasproduktion gibt es erhebliche Verluste. Doch um die gesteckten Ziele der erneuerbaren Gasprodukton in der Schweiz zu erreichen, ist es wichtig, diese Verluste möglichst zu eliminieren. Viele Verluste entstehen in den Wärme-Kraftkopplungsanlagen. Durch ein Upgrading des Biogases (Abtrennen des CO2) kann dieses direkt ins Gasnetz eingespeist und diese Verluste somit vermieden werden. Nach dem Abtrennen kann das CO2 zum Beispiel in Methan umgewandelt werden, so wird der gesamte Anteil an erneuerbarem Gas im Netz erhöht. Dies kann entweder durch eine konventionelle Methanisierung oder durch neue Katalysatoren umgesetzt werden.

Eine solche katalytische Methanisierung ist die SEM-Methanisierung (sorption enhanced methanation). In dieser Technologie hält das Katalysatormaterial das in der Reaktion produzierte Wasser zurück und setzt nur Methan als Produkt frei. Da ab einer bestimmten Betriebsdauer, das Material gesättigt ist, muss es regeniert werden. So sind immer mindestens zwei Reaktoren im Einsatz – einer methanisiert während der andere regeneriert. In einer solchen Anlage ist das Material funktional. Dieser Methanisierungsreaktor wird auf der HEPP-Anlage installiert und getestet.

 

Die Expertinnen- und Expertengespräche klingen bei einem Apéro und bei Führungen durch die Forschungsanlage an der Gaswerkstrasse 1 in Rapperswil aus.

 

Autorin: Zoe Stadler, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, IET Institut für Energietechnik, 26.06.2023

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