In der Schweiz ist die Berufsbildung ein Erfolgskonzept. Rund 70 Prozent der Jugendlichen entscheiden sich für diesen Bildungsweg. In Indonesien hingegen hat die Berufsbildung im Vergleich zur universitären Ausbildung einen schlechten Ruf. Gleichzeitig ist sich die indonesische Gesellschaft bewusst, dass sich das ändern muss.
Unter der Leitung von Prof. Dr. Stefan Kammhuber, Leiter Institut für Kommunikation und interkulturelle Kompetenz (ikik) an der OST, erarbeitet ein Team aus schweizerischen und indonesischen Forscherinnen und Forschern innovative Lösungen für ein Berufsbildungssystem in Indonesien. Die Frage stellt sich, wie ein solches System in einem Land mit über 270 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern, 17’000 Inseln, mehr als 300 Ethnien und 700 Sprachen funktionieren kann.
Austausch an Workshop und Konferenz in Indonesien
Um herauszufinden, an welchen Stellen das indonesische Berufsbildungssystem vom Schweizer System profitieren kann, führten Stefan Kammhuber und Ben Hüter, Direktor des Berufsbildungszentrums Thun (IDM) und Vorstandsmitglied der Schweizer Direktorinnen- und Direktorenkonferenz der Berufsfachschulen, in Jakarta einen Workshop mit Direktorinnen und Managern von indonesischen Berufsbildungszentren durch. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass eine Kehrtwende im indonesischen Bildungssystem nötig sei. Auch die Einstellung zur Berufsbildung müsse sich ändern: «Weg vom Stereotyp der Berufsbildung als Notlösung für die (…) wenig motivierten jungen Menschen aus armen Verhältnissen, hin zu einem alternativen Karriereweg für qualifizierte Fachkräfte», sagt zum Beispiel Dr. Juliana Murniati, Dekanin Department für Angewandte Psychologie.
Darüber hinaus fand eine Konferenz mit Verantwortlichen aus Wirtschaft, Politik, Berufsbildung und Wissenschaft statt. Die Veranstaltungen stiessen nicht nur bei den Teilnehmenden, sondern auch in allen grossen indonesischen Medien auf Anklang.
Interkulturelle Kompetenz gefragt
Als zentrale Erfolgsfaktoren des Schweizer Systems wurden von indonesischer Seite die frühzeitige Berufsorientierung in der obligatorischen Schule und die Unternehmens- und Kompetenzorientierung bei der Entwicklung der Lehrpläne in der Ausbildung identifiziert. Nun soll ein Modellprojekt in Zusammenarbeit mit den grössten indonesischen Unternehmen und den lokalen Partnerinnen und Partnern installiert werden, das von dem schweizerisch-indonesischen Expertinnen- und Expertenteam begleitet werden soll. Eine einfache Übertragung des Schweizer Systems auf den indonesischen Kontext würde aufgrund der unterschiedlichen kulturellen, geografischen und gesellschaftlichen Bedingungen scheitern. «Für die Anpassung des Systems ist interkulturelle Kompetenz zwingend erforderlich. Diese haben wir uns in der engen und langjährigen Zusammenarbeit mit unseren indonesischen Kolleginnen und Kollegen erarbeitet. Ohne gegenseitiges Vertrauen und die Bereitschaft, immer wieder die Perspektive zu wechseln und voneinander zu lernen, könnte das Projekt nicht funktionieren», betont Kammhuber.