Jedes Jahr verbraucht die Menschheit mehr Acker- und Weideland, Fischgründe und Wald, als die Ökosysteme überhaupt erneuern können. Umweltschutz und Klimawandel prägen deshalb die Agenda von Politik und Wirtschaft wie noch nie. Wissen wäre vorhanden. Doch wie gelingt der Schritt zum Handeln? Der Networking-Tag vom 10. September soll Orientierung bieten – im Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie.
Wir leben auf grossem Fuss: Am 22. August 2021 wird die Weltgemeinschaft die Ressourcen verbraucht haben, die ihr für ein nachhaltiges Leben zur Verfügung stehen. Aus ökonomischer Perspektive betrachtet, befindet sich die Menschheit ab diesem «Earth Overshoot Day» in einem Ressourcendefizit, die Erde lebt auf Pump. Michael Federer, Leiter FHS Alumni, zitiert aus dem aktuellen Bericht des Global Footprint Network: «Aktuell verbraucht die Menschheit die Natur 1,6-mal schneller als sich das Ökosystem erholen kann», und fragt: «Wie radikal müssen wir unser Verhalten ändern? Was können wir tun, um die Welt zu retten?»
Ja, wie radikal müssen wir unser Verhalten verändern? Wie viel Erde braucht der Mensch? fragen Sie im Tagungstitel. Das erinnert mich an Lew Tolstois Erzählung vom Bauern Pachom, der ein immer grösseres Grundstück will und am Schluss der Geschichte an seiner Gier stirbt. Gibt es Auswege aus dieser Krise, Ideen, wie wir unseren ökologischen Fussabdruck verkleinern können?
Michael Federer: Die Erzählung von Tolstoi war tatsächlich Ideengeber für den Titel. Wir wollen aufrütteln und die Wichtigkeit des Themas damit unterstreichen. Dies haben wir auch mit dem diesjährigen Bild (schauen Sie genau hin) versucht. Hhmmmm, ob es wirklich Auswege gibt, ich bin da oft nicht so optimistisch. Nichtsdestotrotz haben wir auch Referierende mit Ideen und Anregungen eingeladen, die uns zeigen, was wir selber zu einem Wandel beitragen können. Nichts tun ist aus meiner ganz persönlichen Sicht keine gute Handlungsempfehlung.
Der Networking-Tag 2021 stellt den gesellschaftlich hochrelevanten Diskurs in den Fokus und sucht nach Antworten auf die wahrscheinlich grösste Herausforderung nach der Corona-Krise: den Klimawandel. Gastgeberin des öffentlichen Anlasses ist die Ehemaligen-Organisation FHS Alumni der Fachhochschule St.Gallen, die heute Teil der OST – Ostschweizer Fachhochschule ist.
Vom Wissen zum Handeln
Das Programm des Networking-Tags ist in zwei Blöcke unterteilt mit hochkarätigen Referaten zu Themen aus «Wissenschaft und Gesellschaft» sowie «Management und Handlungsempfehlungen», abgeschlossen wird der Networking-Tag von einem Politpodium.
Einblick in den aktuellen Wissensstand zum Klimawandel gibt Prof. Dr. Henrik Nordborg: «Die Temperaturen erhöhen sich, die Gletscher schmelzen, die Meeresspiegel steigen und wir erleben eine nicht abnehmende Folge von Wetterextremen», sagt der Studienleiter Erneuerbare Energien und Umwelttechnik an der OST. Der Homo Oeconomicus werde die Klimaerwärmung nicht stoppen, der Homo Sapiens vielleicht schon. Nordborg plädiert deshalb für ein entschiedenes Handeln: Weg vom Erdöl, hin zu Erneuerbaren Energien!
Trotzdem: Am 13. Juni gab es ein knappes Nein zum CO2-Gesetz. 52 Prozent der Bürgerinnen und Bürger lehnten höhere Kosten für Benzin, Heizöl und Kerosin ab. Bundesrätin Simonetta Sommaruga sagte in einer ersten Analyse: Das Nein zum CO2-Gesetz sei kein Nein zum Klimaschutz. Michael Federer, Sie sind Betriebsökonom: Was heisst: Klimaschutz Ja – aber er darf nichts kosten. Wie löst man das Dilemma?
Michael Federer: Ich denke das Thema Klimawandel ist in der breiten Bevölkerung sicherlich angekommen. Was vertretbare und geeignete Massnahen sind, ist doch sehr umstritten, wie das die Abstimmung gezeigt hat. Wir wollen am Networking-Tag nicht «belehren», sondern verschiedene Perspektiven aufzeigen und den Dialog so antreiben. Deshalb auch der Untertitel: «Im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie». Wie dieses Spannungsfeld aufgelöst werden kann und was jeder in seinem Entscheidungsradius beitragen kann, soll ebenfalls Thema an diesem Freitag sein.
Keine neuen Schläuche für alten Wein
Sustainability, Corporate Social Responsibility, Business Ethics – in kaum einem anderen Feld der Unternehmensführung seien in den letzten Jahren mehr Trends propagiert und «vermarktet» worden, als im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, sagt Dr. Ronald Ivancic, Dozent und Projektleiter für Praxisprojekte an der Wissenstransferstelle der OST. Oftmals handle es sich um «alten Wein in neuen Schläuchen»; die wesentlichen Grundsätze des «ehrbaren Kaufmanns» seien nämlich bereits seit dem 12. Jahrhundert bekannt. Ivancic appelliert deshalb an die Schwätzer, dass sie Macher werden sollen.
Einer dieser Macher ist Valentin Haag, Leiter Label-Führung beim Migros-Genossenschafts-Bund. Er zeigt verschiedene Möglichkeiten auf, wie wir im Alltag unseren ökologischen Fussabdruck verkleinern können – beispielsweise mit der plastikverpackten Gurke, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheint, unter dem Strich aber Ressourcen schont.
Ist die Menschheit noch zu retten?
Am Ende des Nachmittags nimmt ein Politpodium die provokanten Thesen der Referierenden auf und fragt: Ist die Menschheit noch zu retten? Es diskutieren die St.Galler Nationalrätinnen Esther Friedli (SVP), Franziska Ryser (Grüne) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP) sowie SP-Co-Präsident und Nationalrat Cédric Wermuth. Herausgefordert werden die PolitikerInnen von Lotte Verhagen und Xenia Unseld. Verhagen studiert an der OST Soziale Arbeit und war Teil des Organisationskomitees «Sustainability Week». Unseld ist Maturandin an der Kantonsschule Trogen und engagiert in der Jugendbewegung Klimastreik. Moderiert werden die Referate sowie das Podium von der Journalistin und Juristin Nadine Jürgensen, scharf beobachtet wird der ganze Nachmittag von der Protokollantin, Kabarettistin und Bühnenpoetin Patti Basler.
«Bei den letzten Parlamentswahlen verzeichneten die Grünen und Grünliberalen ihren grössten Wahlerfolg, Gletscher-Initiative, Verbote von Plastik, Anpassungen von CO2-Werten, vegane Menüs auf dem Teller – kein Lebensbereich, scheint von der unbequemen Wahrheit des Klimawandels verschont zu bleiben», sagt FHS Alumni-Leiter Michael Federer, der Networking-Tag soll Gelegenheit sein, Wissen zu tanken und Denkanstösse mitzunehmen. Der Non-Profit-Anlass ist öffentlich und beginnt um 13 Uhr, abgeschlossen wird das inspirierende Nachmittagsprogramm von einer Networking-Party mit Erlebniswelten zum Thema Nachhaltigkeit. Mehr Infos unter: www.networkingtag.ch
Der Event – Networking-Tag
Die FHS Alumni führt einmal pro Jahr, seit 2005, unter dem Label «Networking-Tag» eine öffentliche Non-Profit-Grossveranstaltung durch. Der Networking-Tag ist innerhalb der Ostschweiz mit rund 700 Gästen, einem themenorientierten Programm sowie einer Networking-Party etabliert und erfreut sich einem Publikum aus verschiedenen Branchen. www.networkingtag.ch
Die Organisation – FHS Alumni
Die FHS Alumni ist die Ehemaligen-Organisation der FHS St.Gallen, die neu Teil der OST – Ostschweizer Fachhochschule ist. Sie ist ein wachsendes Netzwerk von über 3’000 aktiven Mitgliedern. Ehemalige und aktuell Studierende sind und bleiben untereinander und mit ihrer Hochschule verbunden, pflegen und knüpfen neue Kontakte innerhalb des eigenen Departementes sowie interdisziplinär. Mit dem Zusammenschluss der drei Fachhochschulen FHS, HSR und NTB zur OST haben auch die drei Alumni-Organisationen FHS Alumni, Alumni HSR und Club Alumni NTB ein gemeinsames Projekt gestartet, um das Alumniwesen der OST neu zu organisieren. www.fhsalumni.ch