Grosse Unternehmen wie die Post öffnen erstmals ihre Türen zu Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung. Sie wollen damit «ein Vorbild für andere Firmen sein». Damit diese Vorbildfunktion gelingen kann, braucht es jedoch «einen kulturellen Wandel in den Unternehmen», betont Saphir Ben Dakon. Die Transformationsmanagerin ist Vorstandsmitglied im Verein Tatkraft und bei agile.ch. Dies sind Organisationen von und für Menschen mit Behinderung. An der Veranstaltung «Wissen am Mittag: Diversity – Chancen gerecht die neue Arbeitswelt gestalten» vom 24. Juli 2023 berichtete Ben Dakon aus ihrer Forschung zur Integration von Frauen mit Behinderung in den ersten Arbeitsmarkt.
Inklusion beginnt mit der Haltung
Will ein Unternehmen Menschen mit Behinderung einstellen, muss es offen dafür sein, inklusive Strukturen und Prozesse zu schaffen und umzusetzen. Schwierigkeiten gibt es laut Ben Dakon dann, wenn diese Strukturen zwar bestehen, aber eine wertschätzende Kultur der Mitarbeitenden und der Unternehmensführung fehlt. «Eine Investition ins Mindset und nicht nur ins Marketing ist entscheidend», erklärt Ben Dakon. Unternehmen müssen Positionen schaffen, die eine reale Gleichstellung ermöglichen. Nur so könne das Team Menschen mit Behinderung und deren Verantwortung im Unternehmen ernst nehmen. «In Unternehmen kommt es besonders bei Frauen mit Behinderung vor, dass man ihnen die Arbeit abnehmen will.» – Dieses «Helfer-Syndrom» hindere die betroffenen Personen daran, sich weiterzuentwickeln. Sensibilisierungstrainings können laut Ben Dakon bei solchen Herausforderungen hilfreich sein.
Unternehmen müssen mutig sein
«Viele Unternehmen erstellen ein Leitbild zu Inklusion, geben es den Mitarbeitenden beim Einführungstag ab und haben das Gefühl, damit ist das Thema erledigt», erklärt Thomas Schwendener, Organisationsentwickler bei obvita, einer Organisation, die sich für die Gleichwertigkeit und Inklusion von Menschen mit Behinderungen einsetzt. Das reiche jedoch nicht. Besonders unbewusste Vorurteile können laut Schwendener Inklusion verhindern. Indem man Menschen mit Behinderungen beispielsweise die Arbeit nicht zutraut und diese deshalb schon gar nicht einstellt. «Unternehmen sollen mutig sein und Menschen mit Behinderung die gleichen Chancen geben wie Menschen ohne Behinderung», betont Schwendener.
Mitarbeitende schulen und coachen
Inklusion und die Auseinandersetzung mit den eigenen unbewussten Vorurteilen (Unconscious Bias) müssen laut Schwendener Einzug in die Personalentwicklung finden. Diese Themen sollten Teil der Schulungen von Mitarbeitenden sein. Besonders Führungskräfte sollten individuelle Coachings zu Inklusion und unbewussten Vorurteilen erhalten, damit sie Vorbildfunktionen im Unternehmen einnehmen können. «Inklusion muss Teil des Arbeitsalltags sein und immer wieder im Unternehmen diskutiert werden», schliesst Schwendener.
«Wissen am Mittag: Diversity – Chancengerecht die neue Arbeitswelt gestalten»
Die vom IGD Institut für Gender und Diversity organisierte Veranstaltungsreihe «Wissen am Mittag: Diversity – Chancengerecht die neue Arbeitswelt gestalten» findet einmal im Monat in einer virtuellen, interaktiven Umgebung statt. Fachpersonen und Organisationen sprechen zu Diversity-Aspekten und wie diese die Arbeitswelt beeinflussen.