«Globale Probleme können nur durch gemeinsames Handeln und mit interkultureller Kompetenz gelöst werden»
Medienmitteilung vom 29. Juli 2022
Diese Woche war die OST – Ostschweizer Fachhochschule am Campus Rapperswil-Jona ein Treffpunkt der Kulturen. Rund 200 Forschende der renommierten International Academy of Intercultural Research (IAIR) aus über 30 Ländern beschäftigten sich während fünf Tagen mit kulturellen Unterschieden im Umgang mit globalen Themen wie Klimawandel, Migration und Integration sowie zur Förderung der interkulturellen Zusammenarbeit in unterschiedlichen Berufsfeldern.
Wenn bei einer Fachkonferenz mitten in den heissesten Wochen des Sommers das Prädikat «ungewöhnlich energiegeladen» nach fünf Tagen Fach-Austausch, Exkursionen und Keynotes vergeben wird, muss etwas gut gelaufen sein. So beschrieb der prominente amerikanische interkulturelle Kommunikationsforscher Milton Bennett seinen Eindruck der 12. IAIR-Konferenz in Rapperswil-Jona und so erlebten es auch weitere der insgesamt rund 200 Teilnehmer:innen, die sich nach den letzten Konferenzen in internationalen Grosstädten wie New York und Shanghai in Rapperswil-Jona sichtlich wohlfühlten. Das bestätigte auch das rückblickende Fazit von IAIR-Präsident Adam Komisarof, der in Japan forscht und lehrt: «Es war so schön nach der Pandemiepause wieder alle Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Welt vor Ort und persönlich treffen zu können. Viele haben mir gesagt, das war eine der besten, wenn nicht sogar die beste Konferenz der IAIR bisher. Die Zusammenarbeit mit der OST als Gastgeberin war grossartig und illustriert gut, wie positive interkulturelle Kommunikation funktioniert. Wir werden die Schweiz in guter Erinnerung behalten.»
Mehr Glaubwürdigkeit, weniger negative Botschaften
Schon der Start der Konferenz beschäftigte sich mit einem sehr aktuellen Thema: Wie lassen sich Menschen weltweit dazu motivieren, gegen den Klimawandel vorzugehen? Die leitende Autorin des Weltklimarats für den Bericht zum 1,5-Grad-Ziel Linda Steg redete nicht lange um den heissen Brei herum. «Es gibt unendlich viele Möglichkeiten, das eigene Verhalten klimafreundlich auszurichten – Ernährung, Mobilität, Energie, Recycling oder politisches Engagement», so Steg. Trotzdem passiere aktuell noch zu wenig, weil der Mensch immer danach strebe, seinen Komfort, seine Sicherheit und seine individuell verfügbaren Ressourcen wie Geld zu verbessern. Doch klimafreundliche Massnahmen erfordern häufig eine Investition in diesen drei Bereichen: ob Elektroauto, Solaranlage auf dem Haus, Wärmeisolierung und erneuerbare Heizlösung, klimafreundliche Ernährung oder weniger energieintensives Reisen.
Das ist laut Umwelt-Psychologin Steg aber keine Ausrede, denn die Menschen reagieren sehr wohl auf Impulse, sich klimafreundlich zu verhalten. Bisher habe man einfach auf die falschen Kampagnen gesetzt: Statt wie bisher immer nur über die negativen Aspekte von aus Klimasicht falschem Verhalten zu sprechen, reagieren laut Steg Menschen viel stärker darauf, wenn «positives, klimafreundliches Verhalten so kommuniziert wird, dass sich die Leute in ihrem Lebensalltag daran orientieren können.» So seien die Bevölkerung oder Angestellte laut Studien wesentlich eher bereit, sich umweltfreundlich zu verhalten, wenn auch ihr eigenes Land oder ihr Unternehmen glaubwürdig umwelt- und klimafreundliches Verhalten vorlebe. Denn der Mensch orientiert sich laut Steg als soziales Wesen an seinem Umfeld. «Wenn eine Gruppe, zu der man sich selbst zugehörig fühlt, Klima- und Umweltwerte priorisiert, bestärkt das auch das Verhalten von einzelnen Menschen in ihrem Alltag», so Steg. Die Verantwortung lässt sich deshalb auch nicht auf das Individuum abschieben. «Leute ändern ihr Verhalten erst, wenn sie sehen, dass es leicht ist, dass Staat und Unternehmen in die entsprechende Infrastruktur investieren und dass viele Menschen diese Angebote aktiv nutzen», sagt Steg. Die intrinsische Motivation für klimafreundliches Verhalten bei Einzelnen bilde zwar eine starke Basis für klimafreundliches Verhalten, das Umfeld müsse aber so gestaltet werden, dass es das richtige Verhalten auch auslöse und bestärke. Zug und Bus werden nur genutzt, wenn es komfortabel sei. Vegan gekocht und gegessen werde erst, wenn man wisse, dass das nahrhaft, lecker und einfach sein kann.
Im interkulturellen Kontext führt das laut Steg zu je nach Weltregion unterschiedlichen Herausforderungen, weil der Wohlstand sehr ungleich verteilt sei. Ärmere Menschen neigen dabei eher zu klimafreundlichem Verhalten als wohlhabende, wobei es auch hier eine Grenze nach unten gebe: «Menschen können sich nur um Umwelt und Klima kümmern, wenn die eigenen Grundbedürfnisse wie Nahrung, Wohnen und Sicherheit erfüllt sind.»
Weltweite Komplexität durch interkulturellen Dialog steuern
Diese weltweite Komplexität lässt sich nicht ändern, stellte Steve Kulich, ein in China tätiger Professor für interkulturelle Kommunikation, fest. «Aber wir haben die Methoden, den Dialog über gemeinsame Ziele auch zwischen unterschiedlichen Kulturen und Staaten zu steuern», so Kulich. Diesen Dialog über gemeinsame Anstrengungen müsse man auch in einer Zeit führen, in der die Polarisierung in und zwischen Gesellschaften wieder zugenommen habe.
Wie das in der Praxis aussehen kann, illustrierte Hans Künzle, Präsident von UNICEF Schweiz, anhand eindrücklicher Beispiele. «Wir kämpfen an den härtesten Orten der Welt für jedes Kind – sei es in Afghanistan oder Syrien, und auch die Ukraine haben wir nach Kriegsbeginn nicht verlassen», so Künzle. Interkultureller Dialog sei dabei die Kernkompetenz bei UNICEF. «196 Staaten der UN stehen hinter der Kinderrechts-Konvention – das ist die Basis für unsere Arbeit: Dass sich Staaten trotz aller Differenzen auf eine gemeinsame Grundlage einigen können», sagt Künzle. Weil auch vor diesem Hintergrund nur mit Staaten eine Zusammenarbeit möglich ist, die die Anwesenheit von UNICEF wünschen, sei der stetige interkulturelle Dialog eines der wichtigsten Werkzeuge, um Konsens herzustellen, so Künzle. So sei es möglich, in Armenien zusammen mit dem Bildungsministerium eine Kampagne gegen die Benachteiligung von Mädchen durchzuführen oder weltweit allein im Jahr 2021 39 Millionen sichere Geburten in UNICEF-Anlagen zu gewährleisten, 49 Millionen Schulabschlüsse für Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen oder knapp 80 Millionen Menschen Zugang zu sicherem Trinkwasser zu ermöglichen. «Um das zu erreichen, müssen wir vor Ort sein und im ständigen interkulturellen Austausch zusammen mit den Regierungen kontinuierliche Verbesserungen anstreben – dabei zählt für uns nur, dass sich für die Kinder als messbares Resultat durch unsere Arbeit etwas zum Positiven ändern kann, alles andere ist unwichtig.»
Dichtes Programm und viele Auszeichnungen
Neben solchen spannenden Leitvorträgen zur Verbindung von interkultureller Kompetenz und Klimawandel, Menschenrechten und Integration konnten die Teilnehmer:innen 15 Symposien verfolgen, sich bei mehr als ca. 100 Vorträgen und 30 Posterpräsentationen austauschen sowie Exkursionen etwa nach Zürich oder Glarus unternehmen. Im Fokus standen ausserdem verschiedene Auszeichnungen. Den Höhepunkt bildete dabei der Lifetime-Achievement-Award für Colleen Ward aus Neuseeland, die für ihr Lebenswerk in der Forschung zu Migration und interkulturellem Lernen ausgezeichnet wurde. Ausserdem gingen Auszeichnungen an Miriam Schwarzenthal aus Deutschland für Ihre Doktorarbeit, Jonas R. Kunst und Agnes Szabo für ihre bedeutenden Beiträge zur interkulturellen Forschung trotz ihrer noch jungen Karrieren sowie an Dan Landis und Dharm Bhawuk für ihr Buch «The Cambridge Handbook of Intercultural Training».
Interkulturelle Kompetenz an der OST
Konferenz-Organisator Stefan Kammhuber vom Institut IKIK der OST zieht ein rundum positives Fazit: «Laut dem Feedback der Teilnehmenden haben wir es geschafft, in dieser Konferenz nicht nur ein wissenschaftlich hochwertiges Programm anzubieten, sondern den Gästen aus mehr als 30 Ländern eine inspirierende Umgebung zu bieten, in der sie sich sehr wohlfühlten. Nicht zuletzt waren sie begeistert von Rapperswil-Jona, der OST und der Schweiz, die sie auf verschiedenen Kultur-Touren entdecken konnten, wie z.B. in Glarus bei einer spannenden Einführung in die Landsgemeinde und das politische Selbstverständnis der Schweiz.»
Die erfolgreiche Konferenz sei eine grosse Motivation, die interkulturellen Ziele der OST mit neuer Energie weiterzuverfolgen, so Kammhuber. Es ist das erklärte Ziel der Ostschweizer Fachhochschule, dass sich alle Studierenden interkulturelle Kompetenzen in ihrem Studium aneignen. Entsprechende Module gehören deshalb schon seit Längerem zum Standard in jedem Studiengang. Denn der produktive Austausch über Länder- und Kulturgrenzen hinweg ist in der Schweiz seit Beginn der Industrialisierung der Motor für bahnbrechende Innovationen und gehört seit der Zeit der Gebrüder Sulzer unabdingbar zu einer guten Ausbildung. Deshalb unterstützte auch die nationale Agentur für Mobilität und Austausch MOVETIA sowie die Stiftung zur Förderung des Standorts Rapperswil-Jona der OST diese Konferenz.
Seit 2012 gibt es an der OST in Rapperswil-Jona das IKIK Institut für Kommunikation und Interkulturelle Kompetenz, das dieses Thema in Lehre und angewandter Forschung bearbeitet sowie interkulturelle Weiterbildungsprogramme und interkulturelle Trainings für Unternehmen und Verwaltungen, Schulen und Hochschulen, soziale Träger und NGOs, Spitäler und Pflegeeinrichtungen oder für Polizei und Militär anbietet.
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