Medienmitteilungen der OST

Für die Digitalisierung des Gesundheitswesens braucht es mehr als DigiSanté

Medienmitteilung vom 13. Mai 2024

Der Nationalrat hat 400 Millionen Franken für ein Programm namens DigiSanté gesprochen, das die Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens über die nächsten zehn Jahre vorantreiben soll. Sich bei der Digitalisierung nur auf DigiSanté zu verlassen, ist laut Prof. Dr. Winfried Schlee, Experte für digitale Gesundheitsanwendungen, jedoch nicht ausreichend.

«DigiSanté schafft ein solides Fundament für ein digitales Gesundheitswesen und ist deshalb von grosser Bedeutung. Die grosse Aufgabe der Digitalisierung des Gesundheitswesens sollte jedoch nicht auf DigiSanté reduziert werden. Es braucht wesentlich mehr für eine durchgängige Digitalisierung», findet Prof. Dr. Winfried Schlee Studienleiter des MAS Digital Healthcare Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule.

Die Covid-Pandemie verdeutlichte, was Gesundheitsfachleute schon lange beklagen: Das Schweizer Gesundheitswesen hinkt bei der Digitalisierung hinterher. Laut Winfried Schlee, Studienleiter des MAS Digital Healthcare Management an der OST – Ostschweizer Fachhochschule, kann dieser Rückstand jedoch durch die Zusammenarbeit der Akteurinnen und Akteure aufgeholt werden.

Druck für digitale Veränderung ist klein

Um Veränderungen im Schweizer Gesundheitswesen erfolgreich umzusetzen, müssen Hunderttausende von Menschen an einem Strang ziehen. Dazu kommen Gesetze und die Technik, die verändert werden müssen, sowie Unternehmen, Krankenhäuser und Praxen, deren Zusammenarbeit zentral ist. «Veränderungsprozesse, bei denen so viele Menschen mitgenommen werden sollen, laufen vor allem dann effizient ab, wenn ein gewisser Druck oder eine Notlage besteht», zeigt Winfried Schlee auf. Das war in der Schweiz bisher nicht der Fall, denn «das Gesundheitssystem in der Schweiz funktioniert sehr gut und wir sind deutlich besser versorgt als in vielen anderen europäischen Ländern», betont der E-Health-Experte. Die Notwendigkeit – und damit auch die Bereitschaft – zum digitalen Wandel ist bisher gering. So arbeiten laut dem Berufsverband der Ärzteschaft FMH nach wie vor rund ein Drittel der ärztlichen Praxen mit analogen Patientinnen- und Patientenakten in Papierformat. Die Umstellung auf ein digitales System stehe für sie bisher in keinem Verhältnis zum Nutzen. Dahingegen hat der Bund den enormen Rückstand der Digitalisierung des Schweizer Gesundheitswesens erkannt. Mit dem Programm zur Förderung der digitalen Transformation im Gesundheitswesen (DigiSanté) will er das Schweizer Gesundheitswesen bis Ende 2034 digitalisieren.

DigiSanté schafft ein solides Fundament

Im Zentrum von DigiSanté stehen der digitale Datenaustausch und die Interoperabilität, also das nahtlose Zusammenspiel verschiedener Systeme. Heute müssen viele Daten im Gesundheitswesen mehrfach erfasst werden oder sie können aufgrund unterschiedlicher Programme nicht weitergegeben werden. Zukünftig sollen diese Daten nur noch einmal erfasst werden müssen und dann nahtlos für die Behandlung, Abrechnung, Forschung und Verwaltung zur Verfügung stehen. Dazu müssen die Systeme und Prozesse im Gesundheitswesen besser aufeinander abgestimmt werden. «DigiSanté schafft ein solides Fundament für ein digitales Gesundheitswesen und ist deshalb von grosser Bedeutung», erklärt Winfried Schlee. «Die grosse Aufgabe der Digitalisierung des Gesundheitswesens sollte jedoch nicht auf DigiSanté reduziert werden. Es braucht wesentlich mehr für eine durchgängige Digitalisierung.»

Digitale Gesundheitsanwendungen implementieren

Als wichtiges Beispiel nennt Winfried Schlee sogenannte digitale Gesundheitsanwendungen. Unter diesen versteht man Apps oder Software-Systeme, die neue und innovative Möglichkeiten in der Diagnose, Therapie und Prävention ermöglichen. Sie können Ärztinnen und Ärzte zum Beispiel bei klinischen Entscheidungen unterstützen. Die Forschung stellt laut dem Experten bereits viele funktionierende Lösungen bereit, die in Ländern wie Estland und Dänemark bereits angewendet werden. «In diesen Ländern ist es normal, dass man zum Beispiel von einer App an die Einnahme von Medikamenten oder an die Therapie erinnert wird, Termine mit der Ärztin oder dem Arzt online vereinbart und im Genesungsprozess von Gesundheits-Apps unterstützt wird», erklärt Winfried Schlee. Bei der Gestaltung dieser modernen Gesundheitssysteme haben Estland und Dänemark die verschiedenen Akteurinnen und Akteure von Anfang an eingebunden, was deren Akzeptanz erhöhte.

In diesem Bereich sieht der Experte auch in der Schweiz viel Potenzial: «Als basisdemokratisches Land hat die Schweiz gute Voraussetzungen, um die Gesundheitsversorgung mit partizipativen Ansätzen zu verbessern und den Menschen passende digitale Lösungen bereitzustellen.» Dazu brauche es aber mehr Forschung in der Schweiz. Es müsse klar sein, welche Anwendungen mit dem Schweizer Gesundheitssystem kompatibel sind und wie man diese relativ schnell einsetzen könnte. «Wir können nicht einfach darauf warten, dass DigiSanté abgeschlossen ist und hoffen, dass das Schweizer Gesundheitswesen dann digitalisiert ist. Es braucht auch währenddessen grosse Anstrengungen, um digitale Gesundheitsanwendungen zu implementieren», betont Winfried Schlee.

CAS Digitalisierung im Gesundheitswesen

Digitale Lösungen im Gesundheitsbereich zu verwenden, stösst in der Schweiz auf zunehmendes Interesse. Im CAS Digitalisierung im Gesundheitswesen lernen die Teilnehmenden, die Arbeitsabläufe im Gesundheitssystem durch eine optimierte Prozessgestaltung und eine chancenorientierte Nutzung der Digitalisierung zu verbessern.

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